Rezension

Chad VanGaalen

Diaper Island


Highlights: Burning Photographs // Replace Me // No Panic/No Heat
Genre: Folk // Alternative // Country-Electro
Sounds Like: Beck // Neil Young

VÖ: 20.05.2011

Falls noch wer ein lustiges Saufspiel für seine nächste Indieparty sucht, darf dieser nun erfreut aufhorchen. Gebraucht werden Wodka und ein paar Leute, die die Fragen beantworten sollen, welchen Beruf Chad VanGaalen ausübt und in welches Genre man besagten VanGaalen stecken darf. Bei falscher Antwort muss getrunken werden – eine lallende Meute ist einem damit sicher, denn die Herausforderung ist abenteuerlicher, als man denkt!

VanGaalen nämlich ist in alle möglichen Richtungen talentiert. Er schreibt, singt und produziert seine Platten nicht nur, er macht das auch für andere Bands und kritzelt nebenher gekonnt ein paar Plattencover und Artworks zusammen. Scheinbar unausgelastet vom Musikmachen verdingt sich VanGaalen auch als Illustrator und Regisseur für seine Musikvideos.

Obwohl auf seiner neuesten Platte „Diaper Island“ die Gitarre im Mittelpunkt steht, schafft der Kanadier es, verschiedene Sounds und Muster um die Saitenklänge herumzubauen, dass nicht tatsächlich klar wird, ob man nun einer Folkpop- oder einer Elektro-Platte lauscht.

Behäbig, folkig und angenehm rhythmisch jedenfalls fängt das Album mit „Do Not Fear“ an, leitet dann schnörkellos zu etwas seichteren Klängen über, ruht sich kurz mit schwermütigem Folk aus, der sich sanft an bluesige Klänge anlehnt. Damit nicht genug, auch countryeskes Leiden und die bewährte Melancholie sind etwa bei „Sara“ oder „Heavy Stones“ zu hören.

So weit die erste Hälfte des Werks. Man darf kurz Verwirrung äußern, denn VanGaalen löst sich nun völlig vom Anfangskonzept und wendet sich der Elektronik zu. Spätestens ab „Freedom For A Policeman“ hört man der alten Nachtigall Beck (zu „Odelay“-Zeiten) trapsen, allerdings nur in Ansätzen, denn die staubigen, kaputten Stiefel VanGaalens hüpfen mit erstaunlicher Leichtigkeit ihren eigenen Weg durch seine schnieken Arrangements.

Zum Ende von „Diaper Island“ wird’s wieder ruhiger, die Elektronik bleibt und die Platte mündet im, zugegeben, etwas eigentümlichen Song „Shave My Pussy“. Ob VanGaalen nun tatsächlich, wie in einer Interpretation behauptet, die Sichtweise einer Frau annimmt, welche mit schweren Selbstzweifeln zu kämpfen hat und glaubt, dass eine Intimrasur ihr wieder zu mehr Attraktivität verhilft, sei dahingestellt.

Genre- und Klangwechsel hin oder her, was die Platte lückenlos durchzieht, sind die wackelig-weinerlich-distanzierte Stimme VanGaalens und die gleichzeitig unverkennbare Coolness, zu denen sich brüchige Melodien gesellen.

„Diaper Island“ ist sperrig, flatterhaft, süßlich-bitter und irgendwie leicht ungelenk, eignet sich also nicht nur für's anfangs genannte Rätselraten, sondern auch, um zu den zügigeren Songs das Tanzbein zu schwingen. Für die lauschigeren, engumschlungenen Partnertänze darf dann, wie oben erwähnt, der erste Teil der Platte herhalten.

Silvia Silko

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