Rezension

Casper

Hinterland


Highlights: Im Ascheregen // Alles Endet (Aber Nie Die Musik) // Nach Der Demo Ging's Bergab! // La Rue Morgue
Genre: Indie // Hip-Hop
Sounds Like: Marteria // Kraftklub // Thees Uhlmann // Arcade Fire

VÖ: 27.09.2013

Es gibt Musiker, bei denen passt der Erfolg ins Image. Man nehme den Rock: Diese Musik ist in vielen Fällen geradezu für riesige Bühnen gemacht, spielt mit großen Gesten, hat die Feuerzeugparts und Fanchöre bereits ins Songwriting integriert. Auch so mancher HipHopper, der sich Reichtum und sexuelle Potenz auf die Fahnen schreibt, wirkt im Jugendzentrum eher unglaubwürdig. Andere allerdings erstrahlen im Glanz des Underdogs, sind eher der Junge von nebenan als der aus der VIP-Lounge. Sobald diese durch die Decke schießen, haben sie im Folgenden ein Authentizitätsproblem. Casper kann es lösen.

Auf „XOXO“ konnte Benjamin Griffey eben noch davon erzählen, wie er mit seiner "letzten Gang der Stadt" Rotwein aus dem REWE zockt, konnte sich noch zum Außenseiter stilisieren oder vom Underdog zum Grizzlybär werden. Nun, nach ausverkauften Touren und Nummer-1-Album, bleibt als Bearbeitung des Erfolgs unter anderem der Sarkasmus: „Die Klassenclowns von gestern verderben die Jugend von heute […], Platinplatten, Kerle schreien, Weiber drehen am Rad“ („Ganz Schön Okay“). Das Understatement: „Ich mach noch immer das Musikding“ („Alles Endet, Aber Nie Die Musik“). Es bleibt auch das Aufzeigen, dass auch der Erfolg nicht glücklich machen muss: „Ich schreib ein Lied über dich, 'nen riesigen Hit! […] Nur wahrscheinlich wirst du's eh nicht hören, denn alles, was ich mach, ist alles nur für Weiber, die du hasst“ („Lux Lisbon“). Keine neue Idee, vielleicht Jammern auf hohem Niveau – bei Casper dennoch überzeugend.

Doch wo Casper so oder so die Nase vorn hat: Er hat den Hatern insofern die Nase voraus, dass er nie abgestritten hat, mit seiner Musik möglichst breite Massen zu erreichen und das Wort Pop möglichst groß und in Leuchtbuchstaben schreiben zu wollen. Demzufolge wimmelt „Hinterland“ auch von Oh-Ohs und Yeahs, von Bläsern und Frauenchören, die aber an keiner Stelle stören, weil sie nun eben die Songs schmücken, in die sie sowieso immer gehört haben. Auch die Genremixe, wegen der „XOXO“ 2011 so auffiel, perfektioniert Casper weiter: Das Schema „Postrock mit Endorphin“ aus „Im Ascheregen“ ist vom Vorgänger bereits ebenso bekannt wie der Indie von „Nach Der Demo Ging's Bergab!“, der Dancehall auf „Jambalaya“ erinnert eher an „Hin Zur Sonne“, der potentielle Film-Noir-Soundtrack „La Rue Morgue“ ist eine Neuerung. Doch wo Casper dem Indie nimmt, da gibt er auch: Wieder einmal sind die Songs auf „Hinterland“ voll mit Zitaten von Bands aus Benjamin Griffeys Fahrwasser, von Turbostaat bis zu den Sternen.

Groß wird die Zahl derer gewesen sein, die Casper auf „Hinterland“ gerne stürzen gesehen hätten: Mit unehrlichen Lyrics, plumpen Gesten oder einfach schlechten Songs. „Hinterland“ bietet nichts davon und beweist, dass Casper dem deutschen Hiphop da helfen kann, wo ein Hampelmann wie Cro ihn beinahe schon ins Lächerliche zieht. So ist die Lage in der Tat „Ganz Schön Okay“. Oder eben auch „So Perfekt“.

Jan Martens

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