Rezension

Broken Social Scene

Broken Social Scene


Highlights: Our Faces Split The Coast In Half // Ibi Dreams Of Pavement (A Better Day) // 7/4 (Shoreline) // Major Label Debut // It's All Gonna Break
Genre: Independent // Post-Rock
Sounds Like: Stars // Tortoise // Pavement // Modest Mouse

VÖ: 07.10.2005

Wieso habe ich diese Gänsehaut jetzt schon eine gute Stunde? Ist es heute etwa zu kalt für ein T-Shirt? Wohl kaum, die Zimmertemperatur ist angenehm. Achso, das liegt an der neuen Platte von Broken Social Scene. Das war ja irgendwie klar, denn sucht man nach Adjektiven, die dieses Meisterwerk beschreiben, ist die Präposition meist ein und die selbe: Überraschend! Überfordernd! Überwältigend!

Das erste Lied "Our Faces Split The Coast In Half" beginnt verhalten mit verschiedenen Gitarren und steigert sich nur unmerklich. Immer wieder kommen neue Spuren dazu, ein bisschen Gesang hier, ein paar Bläser dort, der nächste abgedrehte Rhythmus lässt nicht lange auf sich warten, und spätestens beim dritten Durchlauf macht sich ein unbeschreibliches Glücksgefühl breit. So etwas gab es noch nie. Versprochen. Ganz anders geht es da beim zweiten Song zu: Einfach die E-Gitarren eingestöpselt, wundervoll mit Nicht-Gesang verziert, und schon hält man Stephen Malkmus für den verantwortlichen Songschreiber. Und den Song obendrein "Ibi Dreams Of Pavement (A Better Day)" nennen? Das wäre doch nicht nötig gewesen... Doch selbst eine so offensichtliche Hommage ist alles andere als dreist, wenn man wie Broken Social Scene einen dermaßen umwerfenden Song daraus macht.

Und genauso umwerfend geht es weiter. Man kommt natürlich nicht mit, will man alle Ideen aufnehmen, aber das muss man auch nicht. Die Musik funktioniert auch so, eine positive Melancholie liegt wie ein Schleier auf "Broken Social Scene", lässt die vielen verschiedenen Bauteile zu einem Ganzen werden, zu einer runden Platte. Mit Kanten versteht sich, denn selbst die eingängigsten Songs bewahren einen besonderen, neuen und abwechslungsreichen Klang. Wo der herkommt? Das ist bei einem Künstlerkollektiv, an dem mal 2, mal 15 Leute beteiligt sind, eben so.

Zurück zu Pavement. Es ist ein bisschen so, als wäre der Vorgänger ihr "Slanted & Enchanted" gewesen und die neue Platte ihr "Crooked Rain Crooked Rain". Erst der Durchbruch, dann der mehr als nur ebenbürtige Nachfolger. Ansonsten passt der Vergleich leider nicht, schließlich sind Broken Social Scene noch wilder geworden, noch exzessiver, noch verrückter. Eine andere Band passt da schon besser: Radiohead. Die brachten drei Jahre nach dem Überalbum "OK Computer" das Überalbum #2 "Kid A" heraus, die Platte, die alle Erwartungen links liegen ließ und trotzdem oder gerade deswegen ein Meilenstein wurde. Genau das könnte auch hier passieren. Wem es nicht auffällt: Auch bei Broken Social Scene hat es drei Jahre gedauert, wurde "You Forgot It In People" in Amerika schließlich schon 2002 veröffentlicht, und, als wäre das noch nicht genug, auch sie haben für nächstes Jahr ein Album parat. Hoffen wir, dass sie dann nicht nur wenig zusammenhängende Session-Überbleibsel à la "Amnesiac" veröffentlichen. Eins ist, nach dem letzten Song, der sich auch auf Wilcos "Yankee Hotel Foxtrot" gut gemacht hätte, jedenfalls klar: "It's all... GONNA BREAK!!!"

Mario Kißler

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