Rezension

Blaudzun

Promises Of No Man's Land


Highlights: Promises Of No Man's Land // Hollow People // Any Cold Wind (Sweet Selene) // Halcyon
Genre: Indie-Folk
Sounds Like: Arcade Fire // Villagers // Get Well Soon

VÖ: 07.03.2014

Wir schreiben das Jahr 1966, das 100-Kilometer-Mannschaftszeitfahren bei den UCI-Straßen-Weltmeisterschaften ist in vollem Gange. Das deutsche Team rangiert abgeschlagen auf dem elften Platz. Der strömende Regen peitscht den Fahrern ins Gesicht, zahlreiche technische Defekte werfen ein Team um das andere zurück. Doch dann die Sensation: Die Dänen um Verner Blaudzun, zu diesem Zeitpunkt noch absolute Außenseiter, erringen mit einem Stundenmittel von unglaublichen 46,4 km/h den Weltmeistertitel. Verner Blaudzun wird als einer der besten Amateur-Radrennfahrer der 1960er und 70er Jahre in die Geschichtsbücher eingehen.

Ein ebensolcher Außenseiter, der im Begriff ist, den ganz großen Sprung zu schaffen, ist der Niederländer Johannes Sigmond. In seiner Heimat füllt er schon ganze Hallen und sein letztes Album „Heavy Flowers“ erreichte dort Gold-Status. Sein Künstlername? Ihr könnt es euch schon denken: Blaudzun. Sigmond verliebte sich in den Klang des Wortes, auch wenn dieser hierzulande eher Assoziationen an finnische Metal-Bands weckt. Dies ist jedoch fatal, denn Blaudzuns Musik geht in eine ganz andere Richtung. Der Künstler, der in seiner Kindheit mit Johnny Cash und Bob Dylan musikalisch sozialisiert wurde, macht mit seiner bis zu neunköpfigen Band Indie-Folk auf hohem Niveau.

Die Sound-Skulpturen, die er dabei entwirft, erinnern teils an die Villagers oder Antony & The Johnsons, fast immer an Arcade Fire. Auf dem neuen Album „Promises Of No Man's Land“ wird dieser Bezug bei genauem Hinhören besonders deutlich. Greift die Trompete im Hintergrund von „Halcyon“ nicht ganz verschämt das Motiv aus Arcade Fires großartigem „No Cars Go“ auf? Und auch stimmlich bewegt sich Blaudzun so nah an Win Butler wie selten zuvor. Der Opener „Euphoria“ könnte sich auch auf der aktuellen Platte der kanadischen Superstars finden. Doch der Titelsong, der die Hörer/-innen unvermittelt in seinen Sog reißt, beweist Blaudzuns Eigenständigkeit. Die Melodie sucht ihresgleichen und Sigmonds Gesang changiert spielend zwischen Kopfstimme und bebendem Vibrato. Die beiden aufeinander aufbauenden Episoden „Hollow People“ und „Kids Around (Hollow People Revisited)“ setzen dem Ganzen schließlich die Krone auf. Wie selbstverständlich verwandelt sich der hymnische Hintergrundgesang in eine Synthie-Fanfare, um dann einer fast 30-sekündigen Stille Platz zu machen. Nichts für Ungeduldige – nach dieser Zäsur wirkt die zweite Hälfte des Albums wie eine Zugabe.

Auf Albumlänge ist kein einziger Durchhänger zu verzeichnen, Blaudzun zeigt mit „Promises Of No Man's Land“, dass er einen Atem wie ein Straßen-Weltmeister hat – und wirkt dabei doch so elegant wie ein Kunstradfahrer.

Christoph Herzog

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Video zu "Promises Of No Man's Land"
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