Rezension

Black Mountain

IV


Highlights: Florian Saucer Attack // Line Them All Up // Crucify Me
Genre: Psychedelic Rock // Hardrock // Artrock
Sounds Like: Sleepy Sun // Colour Haze // Arcade Fire

VÖ: 01.04.2016

Wenn man nicht so genau hinschaute, konnten einem Black Mountain bisher leicht wie eine Truppe hängengebliebener Hippies von der US-Westküste vorkommen: Die Haare lang, die Sonnenbrillen auf Pressefotos standardmäßig mit dabei – und dann ist das Quintett aus Vancouver auch noch in bester Kommunen-Manier in einem weitläufigen Künstlernetzwerk vernetzt. Die Musik tat ihr Übriges: Wer eine Flower-Power-Hymne wie „The Hair Song“ (vom dritten Album „Wilderness Heart“) nicht nur schreibt, sondern auch noch mit sonnigen Gitarren, Mellotron und Analog-Synthies instrumentiert, braucht sich über die Retro-Psychedelic-Schublade nicht wundern. Macht ja auch nichts, schließlich gehörten Black Mountain unter all den rückwärtsgewandten Epigonenbands in aller Regel zu den definitiven Highlights.

Mit dem vierten Album „IV“, für das sich Black Mountain satte sechs Jahre Zeit gelassen haben, drängt sich nun der Gedanke auf, dass man den Kanadier_innen mit dieser Einordnung ein wenig Unrecht getan haben könnte – oder schlicht übersehen hat, wo die Reise vielleicht die ganze Zeit schon hingehen sollte. Erneut hantieren Black Mountain zwar grundsätzlich wieder mit dem Vokabular vergangener Zeiten. Vernünftig geschichtlich verorten lässt sich hier aber kaum noch etwas – und das macht „IV“ tatsächlich zu dem, was Keyboarder Jeremy Schmidt marketingphrasierend als „our strongest material to date“ bezeichnet. Dass der Opener „Mothers Of The Sun“ gleich mal mit achteinhalb Minuten Spielzeit zu Buche schlägt, zeugt vom dazugehörigen Selbstbewusstsein; dass es dabei nicht langweilig wird, offenbart große Songwritingkunst: Orgelakzente, Mellotronflächen, ein begnadetes Gitarrenriff und Amber Webbers wandelbarer Gesang fügen sich zu einem gekonnt gefertigten Mini-Epos zusammen, das Hardrock, Psychedelic und Krautrock in ziemlich eigenständiger Weise ins Jetzt holt.

„Florian Saucer Attack“ lässt im Anschluss Jeremy Schmidts Leidenschaft für alte John-Carpenter-Soundtracks durchscheinen: Über einem treibenden Rock-Fundament und hemmungslos dramatischem Gesang schillern Synthesizer-Leads und Phaser-Effekte, die das Stück zum Song gewordenen Sci-Fi-Schinken ausstaffieren – was ausdrücklich als Kompliment zu verstehen ist. Die retrofuturistische Aura, die den Track umgibt, zeichnet auch „You Can Dream“ (hier ergänzt um dystopische Spaghettiwestern-Anklänge) und das verträumte „Space To Bakersfield“ aus und spiegelt die Zeitlosigkeit, in die sich Black Mountain mit ihrem Stilmix begeben haben, hervorragend wider. Wenig verwunderlich, dass ihnen in „Cemetery Breeding“ selbst das Kunststück gelingt, einer Hippie-Ballade ein wenig Eighties-Goth-Kajal angedeihen zu lassen.

Schlechte Songs sucht man auf „IV“ vergeblich. Highlight einer generell großartigen Platte ist aber die Folk-Meditation „Line Them All Up“, die sich zunächst ganz auf akustische Gitarren, gefühlvollen Gesang und eingängige Melodielinien verlässt, sich langsam aufbaut und schließlich in einen orchestralen Mittelteil mündet. Hier nehmen Black Mountain zunächst stetig Tempo raus, um dann mit maximalem Effekt wieder im Refrain zu landen – und damit die perfekte Metapher für ihr auf „IV“ zum Stil gewordenen Spiel mit der Zeit zu liefern.

David Albus

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