Rezension

Ben Harper And Relentless7

White Lies For Dark Times


Highlights: Number With No Name // Up To You Now // Shimmer And Shine // Fly One Time
Genre: Rock // Folk // Soul
Sounds Like: Jimi Hendrix // Ryan Adams // Dave Matthews Band // Bob Marley

VÖ: 01.05.2009

Gibt es in der Musikwelt eigentlich Entsprechungen für die Termini Monogamie und Polygamie, die ausdrücken können, ob ein Musiker sich brav immer nur einer Band zur Zeit widmet oder mehrere Projekte gleichzeitig verfolgt? Falls ja, wäre zum Beispiel Mike Patton per definitionem so etwas wie die metaphorische Dorfmatratze, die so gut wie jede Band schon mal ordentlich durchgefeaturet hat, U2 wären das Beispiel für ein tugendhaftes Vorbildehepaar, das samstags zusammen vor dem Fernseher "Wetten, Dass!?" guckt. Und Ben Harper? Nun, Ben Harper And The Innocent Criminals würden wohl so etwas wie einer offenen Beziehung entsprechen: Man bleibt an sich stets zusammen, aber wenn die Band einmal Kopfschmerzen hat, während Ben schon wieder Musik aufnehmen will, tut sich der Mann eben beispielsweise mit den Blind Boys Of Alabama zusammen - oder, wie in diesem Fall, gründet Relentless7.

Für den Fan Ben Harpers ändert sich in diesem konkreten Fall jedoch nicht allzu viel. Klar, live mag dem Zuschauer auffallen, dass die halbe Tonne Bassist der Innocent Criminals auf der Bühne fehlt, auf der musikalischen Ebene wird jedoch zumindest kein Neuland betreten – auch wenn wohl bisher auf noch keinem Harper-Album der Rockanteil so stark ausgeprägt war wie in „White Lies For Dark Times“ und es sowieso recht wenig gibt, das Harper noch nicht gemacht hat, wenn man von "handgemachter" Musik ausgeht. Wo man bei älteren Werken den Eindruck hatte, dass Harper zu ziemlich gleichen Teilen von Bob Marley und Jimi Hendrix beeinflusst wurde, erinnern nun Stücke wie „Lay There And Hate Me“ oder „Why Must You Always Dress In Black“ doch deutlich vorrangig an den vielleicht größten Gitarristen aller Zeiten. Dies ist sicherlich nicht zuletzt der mächtigen Slide-Gitarre geschuldet, die der mit Ben Harpers Werk Vertraute wohl sofort mit „Ground On Down“ identifiziert und die auf „White Lies For Dark Times“ nun verstärkter zum Einsatz kommt – beispielsweise auf dem staubtrockenen Opener „Number With No Name“. Erfreulich ist weiterhin, dass alle jener Rockstücke eigentlich ziemliche Hits sind. Wenn Donovan Frankenreiter im Radio laufen kann, warum dann nicht zum Beispiel „Shimmer & Shine“?

Doch Ben Harper wäre nicht Ben Harper, wenn er sich auf einer Platte nur auf eine Richtung konzentrieren wollte. So lassen das klavierbegleitete „Skin Thin“ und der Schlusstrack „Faithfully Remain“ die E-Gitarren komplett im Schrank stehen; weiterhin sind das chorale „The Word Suicide“ (trotz Pornogitarren-Intermezzo) und anfänglich auch das folkige „Fly One Time“ eher ruhiger Natur. Zudem ist, ähnlich wie der vielleicht beste Songs Ben Harpers überhaupt („Please Bleed“), auch das deutlichste Highlight auf „White Lies For Dark Times“ trotz recht ruppiger Instrumentierung unglaublich intensiv: Der Gänsehaut-Garant „Up To You Now“. Auch mit Album #10 kann Harper also wieder auf ganzer Linie überzeugen und elf Songs abliefern, die mit den Innocent Criminals vielleicht, vielleicht aber auch nicht ganz anders geklungen hätten. Man darf auf das nächste Mal gespannt sein, wenn Harper wieder einmal „Zigaretten holen“ oder „auf Geschäftsreise“ geht...

Jan Martens

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