Rezension
Alligatoah
Triebwerke
Highlights: Wer Weiß // Willst Du // Fick Ihn Doch
Genre: HipHop
Sounds Like: Trailerpark // KIZ // DCVDNS
VÖ: 02.08.2013
Deutscher Rap hat in den letzten zwanzig Jahren eine fantastische Entwicklung durchlaufen. Von ersten Gehversuchen über langsame technische Spielereien, entdeckten die einheimischen Wortakrobaten irgendwann den Straßenrap für sich, bis sich in den letzten zwei, drei Jahren eine oberflächliche, poppige Einstellung entwickelt hat, die den Fokus sehr klar auf gesungene Refrains und eingängige Melodien gelegt hat, dabei oftmals allerdings die Substanz hat vermissen lassen. Durch diese Entwicklung ist deutscher Rap im Mainstream zwar so präsent, wie das letzte Mal Ende der Neunziger, hat aber für den langjährigen, interessierten Hörer einiges vermissen lassen. Dass man sich für Erfolg nicht zwangsläufig für eine Richtung entscheiden muss, zeigt uns Alligatoah mit seinem Hybrid aus durchdachten Reimstrukturen, interessanten Themen-Tracks, das dabei trotzdem mit gesungenen Refrains aufwarten kann.
Obwohl Alligatoah nun schon seit einiger Zeit dabei ist und sich über das Internet einen Namen gemacht hat, hat die breite Öffentlichkeit ihn erst mit seinem diesjährigen Album „Triebwerke“ so richtig wahrgenommen, was nicht zuletzt an der ironischen Single „Willst du“ lag. Der Song über die Liebesgeschichte eines drogensüchtigen Paares ist bei genauerer Betrachtung nämlich keine Aufforderung, sondern greift auf, was die perspektivlose Jugend in Großstädten heutzutage so ausprobiert und ist ein Stück weit eben auch eine Betrachtung dieses hedonistischen Lebensstils. Natürlich werden Themen wie Transvestitismus („Wunderschöne Frau“), Fremdgehen („Fick Ihn Doch“) oder eben alle Songs um das Thema Beziehungen zu keinem Zeitpunkt mit Ernsthaftigkeit, sondern viel eher schwarzem Humor angegangen, das entspricht aber dem langjährigen Prinzip, mit dem Alligatoah eben schon immer aufgetrumpft hat. Dazu kommt, dass er sich selber nicht zu ernst nimmt und damit in der Rapszene eine gewisse Narrenfreiheit genießt.
Eine weitere Besonderheit des Albums ist, dass der Urheber der Produktionen ebenfalls Alligatoah ist. Mit einem Übermaß an Kreativität packt er selbst die Gitarre oder andere Instrumente aus und kann so eins zu eins umsetzen, was ihm selbst vorschwebt. Das trägt dazu bei, dass die Platte wie aus einem Guss wirkt und zu keinem Zeitpunkt verkrampft oder gewollt rüberkommt. Alligatoah ist einer der wenigen Rapper, die gesungene Passagen in Fülle einstreuen können, ohne dass es peinlich wirkt oder sogar Fremdscham auslöst.
Größter Kritikpunkt auf dem Album, und das will etwas heißen, sind die Features. Ob nun Freundschaftsdienst (BattleBoiBasti) oder vermutlich aus kommerziellen Punkten heraus (Prinz Pi), die spärlichen Gastbeiträge reichen zu keinem Zeitpunkt an den Rest der Parts heran und die Feature-Rapper wirken sichtlich bemüht gegen die kreative Wucht eines Alligatoah zu bestehen.
Mit „Triebwerke“ ist Alligatoah berechtigterweise auf eine Stufe mit Rapper geklettert, die zeitgenössisch relevante Musik machen und seine Untergrund-Historie lässt vermuten, dass sein Ideenreichtum noch lange kein Ende gefunden hat. Kann er die Qualität der Songs auf den nächsten Veröffentlichungen sowie den ihm eigenen Humor beibehalten, sollten ihm noch einige Türen offenstehen. Schön, dass uns Interpreten wie Alligatoah zeigen, dass deutscher Rap mit seiner Entwicklung noch lange nicht am Ende angekommen ist.
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