Rezension
Alice Phoebe Lou
Paper Castles
Highlights: Fynbos // Something Holy
Genre: Art-Pop // Singer-Songwriter
Sounds Like: Molly Burch // Lion Sphere
VÖ: 08.03.2019
Als junge Frau von Südafrika nach Berlin gezogen, um sich zunächst als Straßenmusikerin einen Namen zu machen (Besucher*innen des Berliner Mauerparks wissen Bescheid), veröffentlicht Alice Phoebe Lou nun mit 25 ihr aufregendes und gleichzeitig sehr persönliches zweites Album „Paper Castles“: Eine selbstbewussteste und intime Platte über “growing into a woman, about the pain and beauty of the past, about feeling small and insignificant but finding that to be powerful and beautiful.”
Visuell, textlich und musikalisch geht „Paper Castles“ über popmusikalische Standards hinaus und hinterlässt bei intensiver Beschäftigung einen bleibenden Eindruck. Ein Album, das, je öfter man es hört, mehr und mehr Schichten freilegt und durch Musikalität, Spielwitz und lyrische Tiefe überzeugt. Alice bewegt sich auf „Paper Castles“ im Art-Pop-Bereich und reizt diesen Begriff in verschiedene Dimensionen vollends aus. Leichtfüßig schweben jazzige Harmonien und verträumte Soundflächen über eine exzellent groovende Backingband, die nie zu präsent wird und stets genug Raum lässt, sodass Alices Gesang diesen ganz für sich beanspruchen kann. Popmusikalische Konventionen lässt sie dabei links liegen, sowohl harmonisch als auch strukturell. Wer sagt denn, dass nach einer Strophe ein Refrain und irgendwann dann eine Bridge folgen muss? Und überhaupt, wer braucht schon Refrains? Die Songs auf „Paper Castles“ folgen keiner vorgegebenen Struktur, sie suchen sich ihren eigenen Weg zwischen experimentellen und leicht psychedelischen Synthesizerflächen, rhythmischen Spielereien und Dream-Pop-Anleihen.
Die Selbstverständlichkeit, mit der die 25-jährige erhaben über jeglichen Grenzen steht und ihr eigenes Soundkonzept entwirft, beeindruckt: Nostalgisch und vorwärtsblickend, melancholisch und ermutigend sind die Songs auf „Paper Castles“. Tracks wie „Skin Crawl“ („How about I take your patriarchy // your misogyny // and I put it in the backyard // and set fire to it”) und “My Outside” (“I stopped caring too much about my outside // didn’t wanna be told what I’m supposed to look like // didn’t wanna be told what makes a woman look right”) sind selbstermächtigende, feministische Statements. Wut transferiert in Erhabenheit, interkultureller Anspruch transferiert in tiefgehende Musikalität. Ein Album, das wächst und mit der Zeit reift – gegen die uns umgebende Schnelllebigkeit.
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