Konzertbericht

Zinoba


Jan Plewka spielt sich frei

Es ist immer gut wenn der Star des Abends vor dem Support auf die Bühne kommt um diesen vorzustellen. Weil die Leute diesem gleich mehr Aufmerksamkeit schenken und nicht noch eben mit der Konzertbegleitung von ihrem Arbeitstag erzählen. An Plewka's Mund hängen natürlich sofort auch alle. Weil diese Stimme, die zwar leicht kratzig und rauchig klingt, aber dennoch so wohlwollend im Ohr liegt, verdammt nochmal sexy ist. Und als er diese schöne Geschichte erzählt, wie er Diane in Irland am Bahnhof getroffen hat ("In Irland müssen Musiker keine Steuern zahlen. Deswegen gibt es in Irland auch wahnsinnig viele Musiker."), will man eigentlich nur das er weitererzählt. Man will gar nicht das er anfängt zu singen, geschweige denn jetzt eine nervende Vorband.

Diane, die ehemalige Frontfrau der Lemonbabies, spielt sich alone & unplugged durch ihr Set. Dazwischen erzählt sie Geschichten mit Charlotte-Roche-Charme und schafft sich so schon bald Gehör bei der Menge. Sympathisch ist sie allemal, aber leider klettert ihre Stimme manchmal in Höhenlagen von Schlagerstar Michelle und man befürchtet als nächster Song folgt "Wer Liebe lebt". Aber nette Songs schreibt und singt sie. Bis man das allerdings mit Band und auf Platte hören kann, wird es noch eine Weile dauern.

Dann nur kurz Pause und dann ist er da: Der Rio Reiser der Nirvana-Generation feat. Kappe, Bart und Sonnenbrille. Gut sieht er aus der Plewka! Und er ist wohl auch gut drauf. Er schnappt sich das Mikro, kommt an den Bühnenrand, fängt an wie ein Wilder zu tanzen bevor er seine erste Zeilen in's Mikro knarzt: "Das Licht erlosch wie ein Flügelschlag und ein Engel kehrt Heim zu seinem Gedächtnis." Und wie er da so über die Bühne hüpft und sich freut wie ein Kind auf Weihnachten, wird jedem klar: Plewka ist nicht zurückgekehrt weil er Geld braucht. Und Plewka ist auch garantiert nicht zurückgekehrt weil er es allen nochmal beweisen will. Er ist hier um Spaß zu haben. Wegen seiner Liebe zur Musik und um endlich wieder auf der Bühne zu stehen.

Die Band eingespielt als wären sie schon seit Jahren auf Tour. Die Gitarristen fangen die Tonlagen von Plewka geschickt auf und ziehen sie in die Länge wie ein Echo. Und überhaupt: Das was hier gespielt wird ist viel mehr als Rock. Das rotzt wie Blues. Das groovt wie Jazz. Und dazu die Texte, die viel weiter sind als es Selig je waren. Ja, Zinoba haben schon jetzt einige Hits. Zum Beispiel das wundervolle "Im Grunde" mit der Abscheidszeile "Im Grunde wäre es wohl das Beste gewesen, wir hätten uns nie gesehen." Apropos Liebeslieder für Verlassene: Natürlich warten hier alle auf "Ohne Dich". Aber nach der fünften Zugabe (zuerst bereits neue Zinoba-Songs, dann Nummern aus Plewka's Soloalbum) geht das Saallicht und die Musik an, ohne diesen Klassiker. Doch das Publikum bleibt und feiert euphorisch die Wiedergeburt des Jan Plewka. Und da der Applaus einfach nicht aufhören will, kommt Plewka nochmal alleine und sagt: "Okay, ich hab nix mehr, aber ich versuch es." Dann schnappt er sich die Gitarre und spielt es. Das auf was alle gewartet haben. Und plötzlich fangen die ersten Zuhörer an zu weinen. Der Rest verkneift sich die Tränen und singt laut aber dennoch gefühlvoll mit: "Es kommt so anders als man denkt Herz vergeben Herz verschenkt..." Hier Plewka, nimm unser Herz, als Dankeschön für deine Musik! Und komm bloß bald wieder und lass uns nicht nochmal so lange warten.

Carsten Roth