Konzertbericht

The XX


Schneetreiben. Die Anfahrt, deren Motto unter „Bloß nicht zu viel Gas geben“ zusammengefasst werden kann, wird zur reinsten Tortur. Am LKA Longhorn angekommen, lassen sich Parkplätze leider nicht mehr als solche identifizieren, so dass man auf gut Glück mit ausreichend Schwung in angehäufte Schneehaufen fährt. Ob man später wieder weg kommt, spielt erst mal keine Rolle, denn heute Abend ist die wohl größte musikalische Entdeckung des letzten Jahres in Stuttgart zu Gast. Die blutjungen The XX haben sich aus dem Südwesten Londons aufgemacht, um ihren minimalistisch gehaltenen Indiepop international zu promoten.

Das Longhorn ist schon gut gefüllt, als die zweiköpfige Vorband New Look loslegt. Leider sind diese alles andere als unterhaltend, so dass die Zuhörerschaft den Drang verspürt, lieber ein Gespräch zu führen, als der aktuellen, vor sich hin plätschernden Musik zu lauschen. Nach einer halben Stunde ist diese musikalische Langeweile aber überstanden und nach einem kurzen Bühnenumbau ist es dann endlich soweit: The XX betreten die Bühne. Hypnotische Lichtkegel. Drei in schwarz gekleidete Gestalten. Die ersten Sekunden des Instrumentals „Intro“. Pure Magie. Jedoch währt dieser euphorische Zustand nicht sehr lang, da der Opener nach 30 Sekunden abrupt beendet wird. Entgeisterte Gesichter überall. Der Grund für den Abbruch ist jedoch schnell gefunden, denn die Drum Machine von Jamie Smith spuckt nicht einen einzigen Beat aus. Der Tontechniker stürmt auf die Bühne und rettet wahrscheinlich den Abend. Sänger und Bassist Oliver Sim erklärt die Situation leicht verschmitzt: „ It´s our first concert in 2010. Let´s start again“.

Dann beginnt endlich eine musikalische Vorstellung, deren Schönheit ihresgleichen sucht. „Intro“ zieht einen nun endlich mit unterlegten Beats durch betörende Gitarrenlinien und einen treibenden Bass in seinen Bann. Der zweite Song des Abends ist die atmosphärische Single „Crystalized“, die deutlich aufzeigt, wie perfekt die Stimmen von Oliver Sim und Romy Madley Croft harmonieren.
Es folgt ein persönlicher Höhepunkt mit „Heart Skipped A Beat“. Er beginnt zurückhaltend, tänzelt im Mittelteil, bis sich die Stimmen gen Ende im melodieseligen Refrain zusammenfügen: „Heart Skipped a beat / And when I caught it you were out of reach / But I´m sure I´m sure / You´ve heard it before“ .
“Fantasy” ist mit einem Bass unterlegt, der den Veranstaltungsort im wahrsten Sinne des Wortes zum Vibrieren bringt und „Nighttime“ beweist in der Live-Version, wie extrem tanzbar The XX doch sein können. Weitere Perlen wie „Basic Space“ oder das getragene „Islands“ dürfen auf der Setlist natürlich nicht fehlen und werden mehr als gelungen umgesetzt.
Als Zugabe wird das zarte „Stars“ angespielt, das auch auf ihrem Album den in sich gekehrten, betörenden Abschluss bildet. Dass The XX lediglich ihre Albumtracks „abgearbeitet“ und kein neues Material präsentiert haben, fällt in keinster Weise ins Gewicht. Das Konzert war schlicht und ergreifend perfekt.

Mit der Gewissheit, den Abend nicht besser verbracht haben zu können, lässt sich das Auto nun mit Freude freischaufeln.

Marcus Schmanteck