Konzertbericht

The National


The National spielen in der Tanzhalle in St. Pauli, entdecke ich plötzlich in der Visions. Das sind insofern drei interessante Fakten als dass The National eine großartige Band sind, ich noch nie in der Tanzhalle war und St. Pauli Montag abends sicher auch sehr interessant ist. Also ab dafür. Es ist 19:30, in 1,5 Stunden ist Einlass und ich starte los. Ich komme also so gegen 10 vor 9 an und werde pünktlich mit ein paar Jungs reingelassen, die mich dank meines orangen Rollkragenpullovers und meiner (herkömmlichen) Jeans anschauen als wäre ich ein Alien oder sowas. Sorry, mir hat aber keiner was von einem Dresscode gesagt. Überall lauter Tom Waits-Verschnitte und coole Menschen mit coolen Frisuren und schöne Frauen (was ich überhaupt nicht verstanden habe, wirklich ALLE Frauen da sahen verdammt gut aus...New Yorkerinnen...) und exorbitante Bierpreise und wer trinkt schon sowas ordinär Uncooles wie Bier (außer Losern wie mir) wenn es Wein gibt. Gott sei Dank war der Club überhaupt nicht voll, sonst wäre es echt unangenehm gewesen. Sowas hab ich noch nie erlebt.

Aber das war mir dann nach Bier Nr. 2 auch egal und irgendwann begann auch die Vorband zu spielen die bis vor Kurzem noch mit ein paar mitegreisten St. Franciskanern vor mir eine Kippe nach der anderen qualmte. Alles in allem ein nettes Grüppchen diese Filmschool. Irgendwie sehr arty aber auch irgendwie sehr Moll und interpolig. War okay, wenn auch viel zu laut. Nach sieben okayen Songs war dann Sense und die Umbaupause begann.

Schicke Menschen tranken ekligen Wein, den sie für gut hielten, weil sie keine Ahnung hatten/haben, ich amüsierte mich, leerte noch ein Beck's und freute mich auf The National, die anfingen zu spielen. Und es war so schön, so wunderschön. Durch die vielleicht 15 normalen Konzertbesucher (plus was weiß ich wieviele Amis, Briten, Zeitschriftfritzen) die drin waren , entstand eine unglaublich intime Athmosphäre und zumindest ich hatte das Gefühl, als würden The National nur für mich spielen, Nationalhymne hinter Nationalhymne für meinen ganz persönlichen Kleinstaat im Herzen. Begonnen haben sie mit dem fantatstischen „Secret Meeting“ reihten Hit an Hit, Song an Song, Emotion an Emotion. Man spürte, dass der Sänger seine Gefühle transportiert, aus voller Seele, mit ganzem Körper, mit jeder Faser. Hier ist nichts Attitüde, hier weint man mit. „I'm so sorry for everything.“ die Zeile die er immer wiederholt, Träne für Träne, welch ein Song dieses „Baby We'll Be Fine.“ Ganz zu schweigen von der einsetzenden Geige. Oweh, ich konnte mich kaum halten, das kann man auch gar nicht so richtig beschreiben, was da für Gefühle über einen kommen. Ihr kennt das doch. Euch hängt an einem gewissen Song etwas (bei The National sind es für mich sehr viele) und dann hört man ihn, vor allem live und alles explodiert.

Der Begriff „Musik“ ist nicht mehr ausreichend, für das Seelenstriptease, das er in Hymnen wie „Abel“ oder „Mr. November“ oder „Val Jester“ hinlegt. Das ist...oweh. Dieser Mensch, man möchte ihn zum Freund haben. Matt Berninger ist der sympathischste Kerl, den ich kennengelernt habe. Ein New Yorker ,der solche Texte schreibt, muss eigentlich Präsident werden oder sowas und der, der für die Melodien verantworlich ist, Kriegsminister. Abel, come on, give me the keys, man Everything has all gone down wrong.

Hach, verdammt. Nach 13 wunderschönen Emotionen war das Konzert dann vorbei, doch ich blieb.

Ich wollte nicht gehen, ich wollte diese tollen Menschen kennen lernen, die mit den Yeah Yeah Yeahs, Clap Your Hands Say Yeah, Interpol und vielen weiteren New Yorkern musikalisch großgeworden sind und sich duzen (auf englisch = Kunststück). Also hab ich mich getraut, mich als der Niemand zu erkennen gegeben, der ich bin. Es hat funktioniert. Sie fanden das witzig und mussten sowieso erst morgens los, hatten also außer zu trinken nichts vor und notfalls konnte Schweden auch warten. Wir tranken viel Wein und haben viel gelacht. Unvergesslich wird für mich bleiben, wie ich zusammen mit Matt „Friend Of Mine“ mit akustischer Begleitung sang. Ich erzählte ihm die Geschichte von meinem John und er die Geschichte von seinem. Und scheinbar scheinen wir ein Schicksal zu teilen. Aber was soll's denn schon. Das war einer der schönsten Momente meines Lebens. Gegen 5 war ich dann noch völlig ergriffen und betrunken zuhause. Schade, dass in der Herbertstraße alle Fenster leer waren, ich hatte der Band zuviel versprochen. Wie auch immer. Das Konzert meines Lebens.

Show up here loaded with bells on your toes I don't care what you're into I'll put velvet ropes around you, if that's what you need.

Konstantin Kasakov