Konzertbericht

The Miserable Rich


Um wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal einen Helga-Artikel mit einem Verweis auf Harry Potter zu beginnen: Unlängst wurde das Helga-Forum durch die Anekdote verblüfft, dass Pickelzauberer-Darsteller Daniel Radcliffe dadurch unerwartet viel Geschmack bewies, dass er The Miserable Richs Debütalbum "12 Ways To Count" als persönliches Musikhighlight des Jahres anpries. Der Grund, warum das nicht nur als Rotweinpartywissen interessant ist: Es bietet dem Autoren die Möglichkeit, mit der flachen Überleitung "Kein Wunder, The Miserable Rich sind ja auch irgendwie eine magische Band" in den Hauptteil dieses Artikels überzuleiten.

Und wem diese Aussage zu schwülstig ist, dem sei gesagt, dass das britische Quintett zumindest live eine durchaus verzaubernde Wirkung ausübt. Als Katalysator dieses Effekts wurde mit der Prinzenbar, die für ihre schöne Architektur bekannt ist, aber auch eine vortreffliche Location gefunden, die zudem – im Gegensatz zu Angie's Nightclub, in dem das britische Quintett im Rahmen des Reeperbahnfestivals gastierte – den Vorteil hatte, dass nicht während des Auftritts angeheiterte Besucher des anliegenden Varieté-Theaters gröhlend den Konzertsaal stürmten. Solche Vorfälle schreckten die Musikliebhaber Hamburgs glücklicherweise nicht davon ab, The Miserable Rich noch eine Chance zu geben, und so war die kleine Prinzenbar mit 200 Besuchern komplett ausverkauft.

Glücklicherweise kam der Gig dann auch ohne betrunkene Touristen aus – schließlich wäre eine zarte, "zerbrechliche" Band, wie es The Miserable Rich nun einmal ist, kaum in der Lage gewesen, allzu laute Nebengeräusche zu übertönen: Elektrizität wird in der Regel nur benötigt, um die Mikrofone zu betreiben, statt E-Bass und E-Gitarre werden Akustikgitarre, Kontrabass und Violine gespielt, die Percussion beschränkt sich darauf, dass Sänger James de Malplaquet mit den Fingern auf seinem Hocker trommelt – nur, um daraufhin festzustellen, dass dies anschließendem Gitarrenspiel nicht gerade förderlich ist.

Dass sich mit einer solchen Instrumentenkombination aber nicht nur allzu depressive Trauermusik spielen lässt, zeigen erfrischend fröhliche Stücke wie "Early Mourning" (dessen Titel diese Behauptung vielleicht nicht gerade unterstützt) und gerade auch die Coversongs, die The Miserable Rich immer mal wieder in ihr Programm einstreuen. Hot Chips "Over And Over" stand – nach demokratischer Abstimmung – in der Prinzenbar zwar nicht auf dem Programm, dafür wurde dem Stranglers-Klassiker "Golden Brown" diesmal ein Kammermusikgewand umgelegt.

Da der Band auch durchaus bewusst war, dass es in Deutschland "all about value for money" ist, wurden dann auch nicht nur Songs des aktuellen Albums "12 Ways To Count", sondern auch neues Material gespielt – auch, wenn eines dieser Stücke noch keine Gesangparts hatte, was de Malplaquet die Gelegenheit gab, sich solange einen Drink von der Bar zu holen. Man darf jedoch gespannt sein, wovon in diesem Lied einmal erzählt werden wird – behandeln manche der Songs der Band doch laut eigener Aussage Metaphern wie die einer selbstmordgefährdeten Frau, die von einem Messerwerfer von ihrem lethalen Sprung abgehalten wird, nur, damit er sie als Ziel bei seiner Show benutzen kann. Wie sich diese Metapher – die sich übrigens an einem Film mit Vanessa Paradis orientiert – auf unser tägliches Leben übertragen lässt? Der Autor vermutet, dass dies nicht einmal die Band selbst beantworten könnte. Aber ist ja auch egal – The Miserable Rich sind schließlich keine Philosophen, sondern eine Band. Und zwar eine, die live immer ins Ziel trifft.

Jan Martens