Konzertbericht

The Knife


Wann ist ein Konzert ein Konzert und wann ist es eine Playback-Show? Darüber wurde unter den Konzertbesuchern in Bremen viel gesprochen. Denn The Knife taten beim "Shaking The Habitual"-Tourauftakt das, was sie besonders gut können: Neues aufzeigen, überraschen und provozieren. Dass das bei einigen Fans für Diskussionsstoff sorgt, ist nachvollziehbar.

Wie soll man das benennen, was man auf der aktuellen Tour von The Knife zu sehen bekommt? Aerobic-Dance-Musical? Mini-Playback-Show? Tanztheater? Oder sollte man sich einfach nur darauf einigen, dass es ein einziges großes Spektakel ist? Damit mag die Vielzahl der Besucher des ersten Konzertes der "Shaking The Habitual"-Tour in Bremen einverstanden sein. Denn beeindruckend ist das, was man auf der aktuellen Tour zu sehen bekommt, definitiv.

Den Anfang der Show macht ein Alleinunterhalter namens Sorkklubben, der The Knife auf ihrer Tour begleitet. Als glitzernder Techno-Pharao bietet er eine Warm-Up-Show, die der Beginn für eine gespaltene Konzertgesellschaft ist. Die einen finden ihn großartig, die anderen einfach nur nervig. Sorkklubben jedenfalls füllt seine Rolle perfekt aus, tanzt vor, heizt an, versteckt in seinen Kommentaren noch ein paar politische und moralische Botschaften und liest, wenn er mal nicht weiter weiß, welcher Aerobic-Move als nächster folgen soll, von einem Zettel ab. "I'm Alive! I'm Not Afraid To Die!" ruft er der Masse zu und fordert zum Nachrufen auf. Dazu dröhnen Songs von The Rapture oder auch Goldfrapp aus den Boxen. Nach dieser Animations-Show, bei der nach der Drohung, The Knife würden erst spielen, wenn alle tanzen und schwitzen, alle zum dressierten Mitmachen verdonnert werden, lassen The Knife noch einige Minuten auf sich warten. Dabei werden Songs von Light Asylum, Planningtorock und passender Weise auch "I Wanna Be Your Dog" von den Stooges abgespielt.

Obwohl beim Warm-Up nicht alle tanzen und schwitzen, wird Sorkklubbens Drohung nicht wahr und The Knife beginnen ihre Show. Sie spielen eine gute Mischung aus alten und neuen Liedern. Allerdings kaum eins so, wie man es aus dem Original kennt. Veränderungen, Erweiterungen und Anspielungen bilden die Regel. The Knife spielen ein ständiges Verwirrspiel mit dem Publikum und fordern diesem einiges ab. So ist beispielsweise nie ganz klar, was nun live und was von Band abgespielt wird. Haben die Instrumente eine akustische Funktion oder sehen sie nur gut aus und dienen als Requisite? Ist es nun Karin Dreijer Andersson, die da hinter dem Mikrophon-Ständer steht und den Mund bewegt, oder ist es ein Playback? Auch mit Geschlechterdarstellungen spielen sie, wie immer, gerne. So verleihen die glitzernden und glänzenden Kostümstoffe, die Schminke, die Frisuren und die gemeinsamen Bewegungen allen auf der Bühne eine gewisse Androgynität. Den Höhepunkt des Verwandlungsspiels bildet eine Leinwandprojektion, in der Karin Dreijer Andersson mit angeklebtem Bart, Nickelbrille und kratzigem Schal als intellektueller männlicher Schwede zu sehen ist, der den gleichen Text wie die Sängerin vor der Projektion auf der Bühne zu singen scheint.

Zum "Full Of Fire", das im Original fast zehn Minuten lang ist, kommen alle Tänzer und The Knife selber in einem Kreis zusammen, ziehen sich die Kapuzen ihrer Umhänge tief in die Stirn und bleiben genau so stehen. Verschwörerisch wirken sie, während der Bass und die düstere, eindringliche Melodie das Herz schneller schlagen lassen. Im Text heißt es treffenderweise: "Let's Talk About Gender, Baby // Let's Talk About You And Me". Als einige Töne von "Silent Shout" erklingen, ist endlich die Mehrheit des Publikums aus dem Häuschen. Während die farbige Lasershow, der fette Beat und das glückseelige gemeinsame Tanzen alle von dem eigentlichen Geschehen auf der Bühne ablenkt, machen sich The Knife und ihre Tänzer heimlich aus dem Staub. Dadurch, dass die Musik weiter gespielt wird und die meisten Zuschauer weiter tanzen, fällt erst nach zehn Minuten auf, dass die Band nicht mehr wieder kommen wird, doch da ist es für Zugabenrufe schon zu spät.

The Knife sind nicht einfach nur irgendeine Band. Sie leben ein Gesamtkonzept aus, welches man unter anderem auch am Merchandise-Stand beobachten kann. Denn neben dem gängigen Band-Merch gibt es auch das "Wohlstands-Comic" der Homepage als Poster, aber auch Magazine, die die Interessen der Band in unterschiedlichen Richtungen zeigen (Anti-Faschistisch, Frauen in Kunst und Kultur, ein Magazin über die Haut, ...). The Knife haben Kultstatus. Sie fordern ihre Fans immer wieder heraus. Gleichzeitig gewährt ihnen aber die starke Fanbase eben diese Freiheit. Und mal ehrlich: Haben sie bisher jemals etwas schlecht gemacht? Möglicherweise ist die "Shaking The Habitual"-Tour eine Zukunftsweisung, auch für andere Künstler.

Was haltet ihr von Konzerten, bei denen nur teilweise live gespielt wird? Diskutiert mit uns im Forum!

Marlena Julia Dorniak