Konzertbericht
The Gaslight Anthem
Denn dass und auch wie sich eine Band (beziehungsweise zwei deren Mitglieder), die mittlerweile den Coheadliner beim Hurricane stellen kann, noch in ein 3m² großes Schaufenster quetscht, negiert eigentlich schon alle möglichen Gemeinplätze, mit denen sich The Gaslight Anthem mittlerweile herumschlagen dürfen: Dass sie entweder alte Alben nur recyclen oder aber eine viel zu radiotaugliche, seelenlose Richtung eingeschlagen haben. Oder dass Brian Fallon, seitdem er sich als an den Kreationismus glaubender Christ geoutet hat, quasi der Antichrist der Rockszene ist. So paradox das auch beides ist. All das kann eigentlich keiner mehr glauben, der Zeuge ist, wie Brian Fallon über 50 Minuten mit seinem Publikum herumalbert, unbedingt das neue Afghan-Whigs-Boxset haben möchte, selbst die abwegigsten Songwünsche aufnimmt und dann "Blue Jeans & White T-Shirts" so gefühlvoll anstimmt, als wäre es noch 2007 und The Gaslight Anthem Stammgast in autonomen Jugendzentren.
Aber was schließlich zählt, ist auf dem Platz und nicht das Aufwärmen – und da gibt New Jerseys wichtigster Musikexport seit Bruce Springsteen eine kaum schlechtere Figur ab. Natürlich liegt der Fokus beim Konzert in der Sporthalle auf "Get Hurt", aber kaum so deutlich, wie man es befürchtet haben könnte – was sicherlich auch daran liegt, dass die Band immerhin zwei Stunden durchzockt. Auf dem Papier macht das über eine halbe Stunde mehr als noch beim letzten Hamburg-Auftritt – Respekt. Zum anderen aber auch daran, dass Songs wie "Ain't That A Shame" oder "Selected Poems" live einfach viel kraftvoller sind als ihre etwas laschen Studio-Pendants, und ein Opener wie "Stay Vicious" steht sowieso jenseits jeder Kritik.
Doch was The Gaslight Anthem eben immer definiert, sind ihre Anfangsjahre, sind das ungestüme "Sink Or Swim", das Emotionsfeuerwerk "The '59 Sound" und die EP dazwischen. Und diese haben auch heute nichts an ihrer Wirkung eingebüßt, obwohl Brian Fallon und Konsorten eben keine Mittzwanziger mehr sind – die Phase der Motivationslosigkeit, die The Gaslight Anthem bei ihrer Tour zu "Handwritten" durchmachte, scheint vorbei zu sein. Lediglich "American Slang", das ungeliebte, aber doch unterschätzte dritte Album der Band wird ziemlich ignoriert – nur das kratzige "Old Haunts" findet seinen Platz in der Setlist.
Natürlich kann man auch bei diesem Auftritt genug Kritikpunkte finden, wenn man denn möchte: So ist die Beleuchtung, die während des Konzerts eingesetzt wird, durchaus etwas exzessiv. Auch die Bitte, dem Geburtstagsdrummer Benny Horowitz spontan ein deutsches Geburtstagslied zu singen, wirkt etwas unbeholfen und bleibt so gut wie die einzige Interaktion Brian Fallons mit dem Publikum. Doch so etwas kann man schließlich auch als routiniert und als Konzentration aufs Wesentliche bezeichnen, und das Laberwasser wurde scheinbar ja auch schon beim Michelle-Auftritt verbraucht. Sympathisch bleiben The Gaslight Anthem nach diesem Auftritt aber auf jeden Fall. Sowie einfach nur: gut. Und das ist schon mehr, als man über die meisten Rockbands dieser Größenordnung sagen kann.