Konzertbericht

The Cure


Irgendwann kurz nach Mitternacht. Meine Beine kündigen mir jetzt schon an, dass ich später, wenn ich ins Bett gehe, fiese Wadenkrämpfe bekommen werde. Schuld sind The Cure. Einlass und Vorband mitgerechnet stehe ich mittlerweile 6 Stunden im Velodrom und die Band hat gerade erst beschlossen, dem Konzert ein Ende zu setzen. 39 Songs umfasste die Setlist an diesem Abend, mindestens fünf davon kann eigentlich jeder, der in den letzten zwanzig Jahren aktiv Musik gehört hat, im Schlaf mitsingen.

Glückliche Umstände führten dazu, dass die Show aus der grauenvollen Arena Treptow ins Velodrom verlegt wurde. Wem auch immer dafür zu danken sei, dem sei gedankt. Circa 12.000 Menschen passen in das Velodrom, dennoch lässt die ausladende Halle kein Gefühl der Enge entstehen. Das Publikum ist gut gemischt, von Fans, die eine fast zweistellige Anzahl an Konzerten der Tour mitnehmen, bis zu jenen, deren bisherige Wahrnehmung der Band nicht über "Boys don't cry" hinausreicht.

The-Cure-Vorband zu sein ist nicht leicht. Man kann noch so gut sein, irgendwie will einen niemand so recht beachten. Daher auch nur vereinzeltes Klatschen, als 65daysofstatic die Bühne betreten. Sehr schade, denn diese spielten wirklich gut und auch mitreißend, aber scheinbar wollten alle Anwesenden ihre Kräfte für die Hauptband sparen. Dreißig Minuten, durch die Riesenbühne und Lautsprecher schon fast bombastisch wirkender Elektrorock.

Schier endlose Walgesangsschleifen um den Bühnenumbau herum später betraten dann endlich The Cure unter dem Intro des "Plainsongs" die Bühne. Es dauerte ein wenig ehe die Herren Smith, Gallup, Cooper und Thompson sich warm gespielt hatten, aber spätestens nach dem fünften Song, "A Night Like This" war festzustellen, dass die Band durchaus noch lebendiger ist, als unzählbare Auflösungsmeldungen über die Jahre bereits verkündeten.

The Cure sind an diesem Abend sichtbar besser gelaunt als bei bisher gesehenen Shows. Robert Smith lächelt viel, nuschelt ab und zu völlig Unverständliches ins Mikro und nutzt auch mal die gesamte Bühnenbreite zum Tanzen aus, um hinter den Boxen verschwindend auch die zu begrüßen, deren Sitzplätze ungünstigerweise etwas hinter der Bühne waren.

Die Setlist lässt zunächst kaum Überraschungen zu, ruhige Songs ("To Wish Impossible Things") wechseln sich mit teilweise unsäglichen Popausflügen ("The End Of The World") ab, zu "From The Edge Of The Deep Green Sea" erweist sich das Publikum als sehr textsicher ("...put your hands in the sky..."). Dann aber die erste Überraschung des Abends. Düstere Klänge verheißen den nächsten Song. Als die ersten erkennen, dass es sich um das selten gespielte "The Drowning Man" handelt, bricht Jubel aus. Auf solche Highlights aus der Frühphase der Band hatte man gehofft.

Einige übliche Stücke später die nächste Überraschung. "If Only Tonight We Could Sleep", mein persönlicher Lieblingssong, wird gespielt. Gebannt sehe ich, wie Smith die sehr markanten Soli des Songs zusammen mit Porl Thompson spielt, um Minuten später mit dem düster-schönen Text dieses wunderbare Lied zu vollenden. Es folgt "The Kiss". mit dem The Cure beweisen, wie man selbst zwanzig Jahre alte Stücke noch neu klingen lassen kann. Fast schon zur Jam-Session entwickelt sich dieser Song, als die Band nahezu schrammelnd drauflos spielt.

Vier Songs später ist dann erst einmal Schluss. Zweieinhalb Stunden sind gespielt, einige wollen schon nach Hause gehen. Im ersten Zugabenblock spielen The Cure Lieder des 1980 erschienenen Album "Seventeen Seconds". "Play For Today" erweist sich einmal mehr als verkanntester Stadionrocksong der Band, im Chor begleitet das Publikum die Melodie des Stückes.

Die zweite Zugabe setzt sich nahezu komplett aus den größten Pop-Hits der Band zusammen. "The Lovecats", "Let's Go To Bed", "Why Can't I Be You" – wer jetzt noch stehen kann, der tanzt. Zwischendrin eines der drei neuen Stücke des Abends: "Freak Show" hält, was es verspricht.

Ein dritter Zugabenblock folgt. Jetzt endlich bekommen auch jene, die The Cure nur aus dem Radio kennen ihr schnell heruntergespieltes "Boys Don't Cry". Nachdem in diesem Block noch einmal eine Zeitreise in die Anfangsphase der Band betrieben wurde, beenden The Cure mit ihrer ersten Single "Killing An Arab" das Konzert. Schade – Gerüchten zufolge stand mit "Faith" noch eine letzte Zugabe auf der Setlist, die das Wunschkonzert perfekt gemacht hätte.

Klaus Porst