Konzertbericht

Tegan And Sara


Endlich. Endlich endlich endlich. Dieses eine Wort dürften Anhänger von Tegan and Sara in letzter Zeit mehr als nur wenige Male in den Mund genommen haben. Ich persönlich wartete zwei Jahre auf die Zwillinge aus Kanada. Nun war es soweit. Rückblickend fragt man sich: War das jetzt eigentlich mehr Konzert oder Kabarett?

Am Stadtgarten angekommen, war man seltsamerweise irgendwie doch überrascht, wie wörtlich man diesen Namen nehmen kann. Zwischen Sträuchern und Bäumen saßen einige dutzende wartende Leute. "Leute", das meint: Mädels. Der ein oder andere männliche Besucher ließ sich dann auch noch blicken, und die kleine Menge strömte in den noch kleineren Stadtgarten.

Als Karl Larsson, Last-Days-Of-April-Sänger und nun Solo-Singer-Songwriter, die Saiten anzupft, herrschte dicke Luft im Raum. Ebenfalls wörtlich zu nehmen. Die unerträgliche Hitze im Stadtgarten machte etwas nachdenklich, wie man den Abend überstehen würde. Aber der Luft wegen ist ja schließlich niemand hier, und Schweiß nimmt man für Tegan und Sara gerne in Kauf. Karl Larsson jedenfalls spielt solo so, wie man es von einem solo spielenden Last-Days-Of-April-Sänger eben erwarten würde. Zu der gewohnten Stimme mit Wiedererkennungswert klingen die gewohnten ruhigen, intensiven und melancholischen Melodien. Schön schön.

Während Tegan & Sara hinter der Bühne wasauchimmer machten und uns warten ließen, wurden die Plätze, die bereits 15 Minuten vor Karls Auftritt eingenommen wurden, immer noch bis auf´s Letzte verteidigt. Niemand bewegte sich, alle blieben sie während der Pause starr stehen. Bloß nicht den perfekten Platz verlieren.

Tegan und Sara – oder sagen wir zur Abwechslung einfach mal Sara und Tegan - wurden schließlich unter großem Jubeln und Gröhlen empfangen. Wie das vorletzte Album "So Jealous" begann auch dieser Abend mit "You Wouldn´t Like Me". Irgendwie bewegte sich trotz melodisch-fröhlichen Songs immer noch keiner. Die starre Atmosphäre hielt an. Ohje. Was ist da los? Welch Glück, dass Tegan und Sara so ziemlich die größten und frechsten Plappermäuler und Sprücheschleudern sind, die die Indieszene zu bieten hat. Der erste Monolog trug den Titel "Spooning". Niemand sonst kann wohl so romantisch und gefühlvoll darüber quatschen wie Tegan. Oder über die innige Beziehung, die die beiden im Bauch ihrer Mutter führten. Die führen sie im Übrigen immer noch. Während die meisten Zwillinge dieser Welt darauf aus sind, sich voneinander abzuheben, werden sich Tegan und Sara optisch immer ähnlicher. Nicht nur, dass die beiden sowieso schon unglaublich identisch aussehen. Selbst letzte Unterscheidungsmerkmale sind verschwunden: Auf der kölschen Bühne sahen sie aus wie geklont. Gleiche Klamotte, gleiche Matte. Halt, die eine trug ihren Scheitel links.

Gespielt wurden Stücke des letzten Albums "So Jealous" und natürlich des aktuellen "The Con". Und das ziemlich zu gleichen Teilen. Der Veröffentlichungstermin von "The Con" wurde in Deutschland leider überraschend vom 24. August auf unbestimmte Zeit verschoben, was uns auch Tegan mit leicht rollenden Augen mitteilte. Gespickt wurde die Setlist mit wenigen Titeln aus älteren Werken, wie zum Beispiel mit "Monday Monday Monday" vom 2003er Album "If It Was You". Und siehe da, es wurde mittlerweile sogar ein wenig getanzt. Saras anschließender Beitrag war also eigentlich gar nicht mehr notwendig, aber dafür umso kurzweiliger. Oder wer lässt sich nicht gerne von einem Abend in einer Bar erzählen, in der die depressive Sara sich betrinkt und am nächsten Morgen als gigantische Erdbeere erwacht. Schütte niemals einen Erdbeer Daiquiri über dein schwarzes Shirt und schlaf darin ein. Gequatscht wurde auch vom Erklimmen der Domstufen. Oder mit dem Typ aus der vorletzten Reihe. Hinzu kommt die ungewöhnliche Gabe der beiden, Geschichten zu erzählen. Das ist nicht nur Erzählen, das ist kabarettistisches Darbieten. So professionell und doch so echt. Man lachte Tränen. Buchstäblich. Und vergaß für einige Augenblicke, dass man sich gerade auf einem Konzert befindet, und nicht im Kabarett.

Es scheint, als würden alle Songs einen Tick lauter und schneller gespielt, als man sie aus der heimischen Stereoanlage gewohnt ist. Tegan, mit der etwas tieferen Stimme, Sara mit der sanfteren, helleren. Aber beide mit den lustigen Mundbewegungen. Besonders, wenn ein langer Ton gehalten werden musste. Überrascht war man sowieso von der stimmlichen Präzision der beiden: jeder auf der Platte anspruchsvoll klingende Ton wurde exakt wiedergegeben. Begleitet wurden die gitarrenspielenden Zwillinge übrigens von ihrer Band. Und denen schenkten sie eine Vorstellung der besonderen Art: Zu jedem Musiker erzählte Tegan die Geschichte, als sie ihn das erste Mal sahen und kennenlernten. Auch hier wurde gut gelacht. Und sogar noch mehr, als Saras Mund die gelangweilten Worte "We already had that `When I first met´-thing yesterday, Tegan" verließen. Trotz der ein oder anderen, für den Zuschauer durchaus amüsanten öffentlichen Diskussion zwischen den beiden merkt man deutlich: die beiden sind so verschieden. Und doch so gleich. Und keine könnte ohne die Andere. Dass das zur musikalischen Qualität beiträgt, muss hier nicht erwähnt werden.

Viel zu schnell ging alles vorbei, eine kleine Zugabe gab es noch, dann löste sich die kleine, nun ziemlich verschwitzte Menge langsam auf. Raus in die Straßen Kölns.

Ja, was war denn nun? Konzert mit Kabarett oder Kabarett mit Musik? Völlig egal, Kunst hat schließlich viele Gesichter. Hier bekam man jedenfalls besonders viel geboten. Und das für 11 Euro. Es soll Bands geben, die hauen für 35 Euro still ihr Set runter.

Gut, dass es noch Bands wie Tegan und Sara gibt.

Stefanie Graze