Konzertbericht

Shellac


Es darf ruhig einmal etwas rustikal sein: Der Verstärker muckt gleich beim ersten Lied. Dafür gibt’s von Steve Albini knallhart einen auf den Deckel. Der Schlag sitzt. Das Gerät hat seinen Dienst wieder aufgenommen. Na also, geht doch. Generell ist der Abend nichts für Zartbesaitete.

Viele haben den Weg ins Münchner Feierwerk gefunden. 550 Menschen passen in das Hansa 39. Etwas Platz ist noch, aber nicht viel. Shellac ziehen eben. Ein gutes Argument: Es ist 2010 ihre einzige Show in Deutschland. Eine gute Entscheidung hinzugehen, denn man weiß nie, wann oder wo sie wieder auftreten werden. Stetige Touren sind ihnen schließlich scheißegal. Sie treten nur auf, wenn es für sie Sinn macht. Den Luxus muss man sich leisten können und damit auch die passende Attitüde. Ausverkauf ist verpönt. Neue Machwerke gibt es bevorzugt auf Vinyl. Kohle verdienen müssen sie ja nicht mit ihrer Band, die Herren Steve Albini, Bob Weston und Todd Trainer sind erfolgreiche Produzenten und Schuhverkäufer. Shellac ist da sowas wie der Tummelplatz für alle die Noiserock-Ausgeburten ihres auf Krawall ausgerichteten Hirns, die hin und wieder mal Ausgang bekommen.

Nach den ambitionierten Bellini, die mit weiblichem „Gesang“ ordentlich lärmen, dabei aber wenig auf Eingängigkeit setzen, ist es dann soweit. Die Noiserock-Veteranen betreten die Bühne. Wen wundert es: Der Aufbau wird ganz in Do-it-yourself-Tradition natürlich selbst erledigt. Nach einem spartanischen Soundcheck und einer kurzen Pause geht es dann los. Kaum einen Hit lassen sie aus. Auf „Didn't we deserve a look at you the way you really are“ – genau, der 12-minütige Opener von Terraform – verzichten sie zum Glück. Soviel Masochismus braucht man auch nicht auf einem Konzert. Dafür hauen sie einem „My black ass“, „The Dog and Pony Show“, „Mouthpiece“, „Prayer to god“ und „Steady as she goes“ um die Ohren. Aber rostige Gitarrenriffs, pumpende Bassläufe und mächtiges Drumming sind nicht das Entscheidende an diesem Abend. Auch der tolle Sound ist es nicht, denn das ist ja wohl das Mindeste, was ein Fan erwarten kann von einer Band, die schon so lange unterwegs ist und die sich nur ganz selten in unseren Gefilden blicken lässt. Nein, das Salz in der Suppe macht das Drumherum aus. Erkenntnis: Mensch, die sind echt witzig.

Da baut Mr. Albini im Blaumann sein Equipment auf und wieder ab. Dazwischen, beim Konzert, ist er aber lässig in Blue-Jeans gekleidet. Vielleicht eine Huldigung an die Arbeiterschicht? Das hätte man mal Bob Weston fragen sollen. Der macht nämlich den „Pausenclown“. Immer wieder gibt es Fragerunden für alle, die schon immer etwas von Shellac wissen wollten. Da geht es um eine neue Platte, Uffizi (dem Hund auf dem Cover der letzten Platte) und und und. Alles wird charmant und erheiternd beantwortet. Gut, manche Frage versteht Weston nicht, für Stimmung sorgt es aber allemal. Neben seinem Job als Entertainer steuert Weston ansonsten seinen Bass punktgenau durch das Set. Von großer Bewegung hält er nichts. Steve Albini ist da ein wenig agiler und prügelt mit metallenen Plektren auf seine Gitarre ein. Aber auch bei ihm rinnt kein Schweiß. Wer saften muss, ist Todd Trainer. Bei so einer Show aber auch nicht verwunderlich. Nicht umsonst steht sein Kit ganz vorne in der Mitte, flankiert von Albini und Weston. Müsste man seinen Stil mit einem Wort beschreiben: Es wäre wohl „Präzision“. Stetige Rhythmus-Wechsel gepaart mit immensem Druck prägen sein Spiel. Wer braucht da noch Computer? Es geht auch von Menschenhand. „End of the Radio“ wird zu seinem Glanzstück. Wie ein Schamane schleicht er zu Beginn des Stücks mit seiner Snare-Drum über die Bühne. Das Publikum fest im Blick. Als Krönung schafft er es sogar, einen Drumstick über seinen Rücken zu werfen und das Becken zu treffen. Im Takt selbstverständlich. Große Show, Mr. Trainer.

Am Ende des Spektakels gilt es sich ranzuhalten. Die Bandmitglieder verkaufen T-Shirts. Und nicht zu knapp. Dabei bleibt immer Zeit für Autogramme und einen netten Plausch mit dem Publikum. Man, sind die entspannt. Bis in ein paar Jahren, Shellac.

Photo: Pressefreigabe Touch And Go Records

Joachim Frommherz