Konzertbericht

Ry X


Es ist ein komischer Ort, dieses Carlswerk Victoria. Nicht gerade das, was man eine traditionelle Konzertstätte nennen würde, steht es dort im seit Jahren als neues hippes Veedel erklärten Köln-Mülheim, im Schatten des E-Werk und Palladium. Ein Ort, der entweder überhaupt nicht oder absolut zu dem passen soll, was an diesem Abend passiert. Je nach Sichtweise.

Ry X ist ja ein Phänomen. Ein zum Abziehbild des Hipstertums gewordener Shoreditch-Waldschrat. Und so tritt er auch heute vor das erstaunlich heterogene Kölner Publikum. Wie ein Hipster-Jesus, der seinen Jüngern nach jahrelanger Abstinenz endlich mal wieder erscheint, steht er dort, in weißem Gewand, die langen Haare unter einer Mütze verborgen, der Bart bewusst zauselig. Er windet sich und reckt die Arme wie zum Gebet in den Himmel. Eine absurde und weltfremde Darbietung, die erst nach dem vierten Song richtig einzuordnen ist. Nämlich, als der Australier zum ersten Mal an diesem Abend das Wort an sein Publikum richtet. Bedächtig und voller Dankbarkeit für die dann doch recht prall gefüllte Location und das sehr aufmerksame Publikum, das Ry Cummings an diesem Abend noch mehrfach ehrlich loben sollte.

Musikalisch schafft Cummings den Spagat zwischen andächtiger Stille, die den Songs Raum zum Atmen geben, und fast tanzbaren Passagen, die sein musikalisches Oeuvre eben so verbinden wie das in seiner Diversität absurd heterogene Kölner Publikum, das nur hier und da (bei "Berlin", na klar!) seine Mobiltelefone für diverse Videoaufnahmen aus der Chino holt. Ansonsten richtet sich die volle Aufmerksamkeit auf Cummings und seine musikalischen Kumpanen und Kumpaninnen, die sich mit ihm durch seine EPs und Alben musizieren und denen man die Freude darüber, an diesem Abend hier vor Ort zu sein, spürbar anmerkt.

Erst als die Messe gelesen ist, merkt man, wie problemlos und unangestrengt die Band die verschiedenen musikalischen Einflüsse zusammengebracht, wie sie Herzschmerz und Tanzlust miteinander verheiratet hat. Eine erstaunliche Leistung und ein Fingerzeig in Richtung derer, denen die letzten Konzerte von Ry X grundsätzlich zu traurig und triefend melancholisch waren. Die Band hat gelernt, die Tracklist erweitert und umkonzeptioniert – mit den Songs von "Unfurl" als logische Erweiterung eines Soundscapes, das in den nächsten Jahren noch wachsen dürfte.

In all seiner konfektionierten Gegenwärtigkeit war das Carlswerk der perfekte oder falsche Ort für diese Messe. Je nach Sichtweise. Eine besondere Verbeugung geht raus für die Tatsache, dass die Verantwortlichen die Bar innerhalb des Venues während des Konzertes dicht machten und damit einen nicht unerheblichen Anteil an der Andächtigkeit dieses großartigen musikalischen Abends hatten.

xxx