Konzertbericht

Pure Reason Revolution


Er ist faszinierend, er ist allgegenwärtig und er ist spätestens seit der Industralierung unerschöpfliche Inspirationsquelle der Popkultur: der Kampf Mensch gegen Maschine. Sei es in Kultfilmen wie The Matrix, in Form vermeintlich unbesiegbarer Schachcomputer oder einfach, weil in der Autofabrik im Nachbarort gerade die halbe Belegschaft gefeuert und stattdessen eine chinesische Montageanlage angestöpselt wurde. Läuft zum Glück so nicht mit allem. Ganz schön arm dran wären doch gerade wir Musikfreunde, bestünden unsere Lieblingsplatten nur noch aus von Informatiknerds erdachten Algorythmen.

Ob die Digitaliserung nun ein Trend dorthin ist, sei dahin gestellt. Ein wenig Angst kommt da schon auf, wenn Bands sich selbst digitalisieren, wie eben Pure Reason Revolution. Los gelegt im Prog-Rock, der – alle Klischees von riesigen Egos, endlosem Pathos und Geilheit auf schrägste Akkordkombinationen mal beiseite – vor allem Anderen (menschen-)handgemacht ist. Inzwischen alles Pustekuchen, die aufs Quartett runterrationalisierte Band aus Großbritannien versucht mittlerweile die Symbiose aus Nine Inch Nails, Depeche Mode und Smashing Pumpkins. Synthie, ick hör dir zirpen.

Live helfen da nur Samples. Womit wir wieder bei der Maschiniserung wären. Dass bei Pure Reason Revolution im Gebäude 9 so manche Melodielilnie aus der Dose kommt, rechtfertigt aber noch lange die Einleitung oben. Dafür braucht es schon den Eindruck, den die Band hinterlässt: Zwar präzise wie eine Atomuhr, aber auch genauso emotional. Kühle und Steifheit auf der Soll-, Balance und Routine auf der Habenseite. Vielleicht liegt's an der durchgestylt wirkenden Optik, vielleicht auch an der lächelarmen Mimik. Aus sich heraus gehen Pure Reason Revolution selten, eigentlich nur beim fiesen Schienbeintritt “Fight Fire With Fire” und dem mächtigen wie schleppenden Refrain von “Valor” – beide vom neuen Album “Hammer and Anvil”.

Immer greifen der Wechselgesang von Chloe Alper und Jon Courtney – besonders im zarten, vom Klavier getragenen “AVO” – wie zurechtgeschliffene Zahnräder ineinander, stets drückt der mächtige Bass wie ein Kolben in die Magengrube. Und besonders die Beatabteilung liefert regelmäßig wie ein Fließband pumpende Beats. Doch bleibt jedes Gefühl dabei vor der Werkshalle. Schade eigentlich, denn Pure Reason Revolution sind Meister ihrer Instrumente. Wirklich zeigen können sie das aber vor allem beim alten Material wie der hochkomplexen Himmelshymne und Zugabe “The Bright Ambassadors Of Morning”.

Kein Zufall, dass sich die Band zwischen Hammer und Amboss wägt – so zumindest verortet sie der aktuelle Albumtitel. Gewinnen die Maschinen langsam doch Überhand? Oder hatte die Band hier nur einen schlechten Tag? In zweierlei Hinsicht bleibt auf Letzteres zu hoffen. Das wäre nämlich vor allem eins: menschlich.

Photo: Pressefreigabe Superball Music

Gordon Barnard