Konzertbericht

Pennywise


Veränderung ist was Gutes? Im Punk sicher nicht. Major-Deal und Ausverkauf sind ein und derselbe Schuh und wer etwas probiert, erhängt damit gleichzeitig seine Ideale an der nächsten Großstadtlaterne. Wie macht man's denn dann? Pennywise fragen: Die machen seit über zwei Dekaden dasselbe und sie haben noch den Kult auf ihrer Seite – wer schon mal beim VfB Stuttgart ein Tor bejubelt hat, weiß Bescheid. Dann der Supergau: Mitten auf der letzten Tour wirft Sänger Tim Lindberg tatsächlich das Handtuch. Uff. Aber als Punk ist man Pragmatiker: Eben den Tourpartner Ignite angehauen und deren Mikrogott Zoli Téglás ausgeborgt.

Inzwischen ist die Übergangs- auch die Dauerlösung. Skepsis wie Neugierde unter Punk-Fans sind groß. Und dadurch, dass die Kalifornier gleich zwei Vorbands mitgebracht haben, wird beides nicht gerade geringer. Deswegen auch nur kurz: Strike Anywhere rasen gewohnt bockig durch ihren kompakten Hardcore-Punk, der leider im gitarrenbedingten Soundmatsch hängen bleibt. Bei den Bouncing Souls dagegen alles geschmeidig. Vor allem Sänger Greg Attonito: Während seine Kollegen dem Szenedresscode treu bleiben, wirkt er mit pinkem Hemd und weißer Krawatte wie ein Teletubbie auf einem Hells-Angels-Gelage. Seine Kollegen lassen die Sau raus, er den Sinatra. Schräg, aber denkwürdig.

Und jetzt: Trommelwirbel. Pennywise starten mit „Every Single Day“....und wäre es still in der rappelvollen Markthalle, man könnte den kollektiven Seufzer hören. Kampfzwerg Téglás strahlt Sicherheit aus, macht seine Sache super. Natürlich weniger melodiös als zuletzt bei Ignite, aber von Äpfeln und Birnen wollen wir gar nicht erst anfangen. Das geklärt, kann’s ja losgehen: Der Sound ist schön rumpelig, die Setlist ziert viel Altes – der Opener, „Searching“, „Living For Today“, „Same Old Story“, allesamt von der Band mit ordentlich Dampf in die Markthalle geschleudert. Die dankt’s mit flächendeckendem Pogopit. Und kurz nachdem Gitarrist Fletcher Dragge – großer Freund knackiger Fluchwörter und zuständig für oberstumpfe Aussagen – den Circle-Pit fordert, wird sich schon brav im Kreis gekloppt. So muss das.

Ein paar mehr Evergreens wie „Waiting“ oder „Fuck Authority“ hätten es schon sein dürfen, doch nach 16 Songs herrscht trotzdem Freude, dass Pennywise auch mit neuem Frontmann noch ordentlich Kohle in den Ofen schaufeln. Und als am Ende – natürlich – „Bro Hymn“ erklingt, gröhlen selbst die Barmänner mit. Spielfreude, Bühnenpräsenz, Schmackes – alles wie früher. Da kann sich Téglás auch nochmal selbst auf die Schulter klopfen. Denn ein schöneres Kompliment im Punk gibt’s nicht.

Photo: Pressefreigabe Destiny Booking

Gordon Barnard