Konzertbericht

Paul Weller


In Hamburg fängt für gewöhnlich alles später an. Jeder, der was auf sich hält, skippt die Vorband und läuft irgendwann cool ein, wenn der Hauptact längst spielt.

Verdammt! So cool kann cool sein: Wir sind spät dran, verdammt spät. „Blink and you’ll miss it“ hämmert schon bis auf die Straße, dabei ist es erst 20.45 Uhr. Verdammt! Rein in die Docks – und dann geht nichts mehr. Es ist voll, verdammt voll. Aber selbst in den hintersten Reihen, hinter Lautsprechertürmen und Thresen, ist der Sound noch gut. Verdammt gut!

Verdammt, hab ich ein Glück: ich kann ihn sehen. Und er geht verdammt ab. Der Mann ist fast 50? Unglaublich! Charmant, durchtrainiert, seine Bewegungen sind unvergleichlich, steht unter Strom, zuckt von den Füssen bis in die stylischen Haarspitzen.

Und der Funke springt über...obwohl wir in Hamburg sind! Schon kurz vor 22.00 Uhr (nicht schlecht für Hamburg!) kocht die Halle, tobt zu „The changing man“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt tanzen wirklich alle mit. Die ergrauten Mods und neuen Jam-Fans, die Style-Council-Anhänger, die Wild-Wood-Freaks. Weller verdammt gut gelaunt, geniesst bescheiden die euphorischen Beifallsstürme und wechselt ständig zwischen zahllosen Gitarren und dem Klavier.

Einige der Songs haben sich heute Abend besonders schick gemacht und ein neues Klangkleid an: „Wishing on a star“ trägt einen fluffigen Bossanova-Charakter, „Sunflower“ und „I walk on gilded splinters“ rocken härter denn je, „You do something to me“ geht live noch intensiver und tiefer. Besonders hervorzuheben ist das instrumental minutenlang ausgedehnte von „Foot of the mountain“, das schon fast progressiv umgesetzt wird, extremst berauschende Gitarrenarbeit. Als einzigen Tribut an die ganz alten Zeiten zündet schließlich „Shout to the top“ in einer gnadenlosen make-you-happy-Variante.

Ein insgesamt sehr abwechslungsreicher Gig, ein Streifzug durch sein Schaffen, quer durch alle wichtigen Platten: Illumination, Paul Weller, Stanley Road, Wild Wood, Studio 150. Die neue „As is now“ wurde komplett durchgespielt. Und genauso überzeugend, wie die Studioplatte, wirkt auch die Livepräsentation. Perfekt!

No Filler, just Killer! Ein Wechsel zwischen treibendem Rock ´n Roll, sehr gutem Singer/Songwriting und wahnsinnig schönen melancholischen Momenten, wenn Weller mit Gitarre oder Klavier alleingelassen wird.

Ein Konzertabend, wie er verdammt noch mal sein soll: man geht glücklich heim und schwebt noch tagelang mit eingemeißeltem Grinsen durch die Gegend.

Silke Sprenger