Konzertbericht

Nick Cave And The Bad Seeds


Für zwei Konzerte im knapp ausverkauften Tempodrom gab sich Herr Cave auf seiner aktuellen Tour zum Album "Dig!!! Lazarus!!! Dig!!!" die Ehre, in Berlin, seinem Wohnsitz aus den 80er Jahren zu spielen. Nachdem es zuletzt ruhig geworden war um Nick Cave, er zumeist nur noch Balladen am Klavier mit ruhiger Untermalung vertonte, ergab es sich, dass er zusammen mit den Grinderman im Alter noch einmal rocken wollte. Dies schlägt sich nun auch auf seine Hauptband mit den Bad Seeds nieder, bekanntermaßen ist sein aktuelles Werk eine Rückbesinnung zu alten, krachigeren Tagen.

Schon nach den ersten Klängen des Songs "Night Of The Lotus Eaters" wird klar, was Nick Cave meinte, als er sinngemäß sagte, Rockstars müssten im Alter zur Comicfigur verkommen. Mit Zurschaustellung übertriebener Männlichkeit bewegt, tänzelt er zum Bühnenrand und tritt in direkten Kontakt zu den ersten Fanreihen. Ein klassisches Piano findet sich nicht mehr auf der Bühne, dafür Hammondorgeln, Keyboards und eine Minigitarrensammlung von Warren Ellis, bislang eher als Violinist bekannt. Gerade im Zusammenspiel zwischen Cave und Ellis bemerkt man, wie viel Spaß man auch mit 50 noch auf der Bühne haben kann. Die Bad Seeds wirken insgesamt wie eine Kuriositätensammlung, gefangen zwischen Westernrock des 19. Jahrhunderts und wilden 60er und 70ern. Nur wenige Balladen befinden sich im Set, gespielt werden vornehmlich alte Klassiker wie "Tupelo", "Deanna" oder "Red Right Hand", deren Texte Cave wie üblich immer wieder mal vergisst und sich vom Blick auf mitgebrachte Zettel beziehungsweise vom Publikum helfen lässt. Andere Musiker versuchen so viel Distanz wie möglich zwischen sich und Publikum zu bringen, Nick Cave steht permanent am Bühnenrand und peitscht wilde Texte in die Masse. Wahnsinnig viel Energie versprüht die gesamte Band an diesen Abenden in Berlin, besonders bei "Papa Won't Leave You Henry" springt im Refrain jeder mit auf, der es sich nicht auf einem Sitzplatz gemütlich gemacht hatte. Um etwas Luft zu holen und auch die Fans zufrieden zu stellen, die eher auf abendliche Klaviermusik hofften, werden ab und an ruhige Töne eingeschlagen, bei beiden Konzerten sind es "The Ship Song" und "I Let Love In", ergänzt von "Into My Arms" (erster Tag) oder dem überraschend gespielten "Far From Me" bei der zweiten Show.

Nachdem im Hauptset nahezu das komplette neue Album gespielt wird, begibt sich die Band in den Zugaben noch einmal auf Reise durch vergangene Alben. "Get Ready For Love" wird dermaßen schnell heruntergerockt, das eigentlich nur noch knarriger Lärm übrig bleibt. "Hard On For Love" vom Album "Your Funeral, My Trial" kannten bisher nur Fans, die nicht nur die Best-Of besitzen. Ebenso verhält es sich mit "Wanted Man", einem Cover von Johnny Cash. Dann gibt es noch "The Mercy Seat", für viele DER große Hit der Band, welcher immer wieder durch Zwischenrufe gefordert wird. "Oh Mama" dürfen dann die jeweils über 3000 Besucher beider Konzerte im Refrain zu "The Lyre Of Orpheus" einstimmen, das Cave mit viel Gesangspathos beendet. Abgeschlossen wird die Show mit der Mörderballade um Stagger Lee, einem vertonten Amoklauf im wilden Westen, bei dem wie üblich die Hälfte des Textes durch Posen ersetzt wird. Wirklich verwunderlich, wie es diesen alten Männern gelingt, innerhalb von 24 Stunden zwei mal derartig viel Energie in ein Konzert zu stecken.

Klaus Porst