Konzertbericht

New Model Army


Ein New Model Army Konzert ist gleichbedeutend mit einem Generationentreffen derjenigen, die in den 80ern und frühen 90ern ihre Jugend erlebt haben. Zwischen den Thirty- Somethings kommt man sich mit Anfang 20 wieder ganz jung vor. In Zeiten unzähliger Hypebands und der damit verbundenen Anziehungskraft für Teenies wirkt das wie Balsam auf das Bewusstsein die Jugend bald hinter sich zu haben. Männer, die gerade so noch in ihr "New Model Army Tour 1991"- Shirt reinpassen stehen neben Frauen, die noch mal die Netzstrümpfe und den schwarzen Kajal ganz tief aus der Kommode gefischt haben. Und wirklich alle sind sie gekommen, so scheint es, denn das Universal platzt aus allen Nähten.

Über den Support- Act weiß man nicht viel. Der Name "Honigdieb" macht aber bereits im Vorfeld äußerst skeptisch. Aber es kommt noch viel schlimmer als befürchtet. Obwohl das musikalische Konzept äußerst interessant ist (E- Kontrabass, Querflöte, Violine, Gitarre, Schlagzeug), macht der Sänger jeden Versuch diese Band ernst zu nehmen allein durch seine Erscheinung zunichte. Pelzmantel, Zylinderhut und Leuchtgimmicks an Ohr und Gürtelschnalle gehen mal gar nicht! Dazu gebart er sich so unglaublich spackig, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Textzeilen wie "Scheiße am Stock ist auch eine Blume" geben den Meisten dann den Rest und Unmut macht sich breit. Wer hat die bloß als Vorband verpflichtet?

Nach 30 Minuten ist endlich Schluß mit dem Theater. Bei einem jüngeren Publikum wären wohl Becher geflogen, so bleibt es aber bei verhaltenem Klatschen und einigen Buh- Rufen. In der Umbaupause werden ausnahmslos Bands und Songs gespielt, die Justin Sullivan am Mittag beim Interview noch genannt hatte: Queens Of The Stone Age, Black Rebel Motorcycle Club, Jimmy Hendrix, The Who... Der Mann hat eben Geschmack! (Bei der Wahl der Vorband gehen wir mal davon aus, dass das Management die Sache zu verantworten hat)

Das Gedränge wird größer, die Die- Hard Fans sichern sich ihre Plätze vor der Bühne und kurz darauf geht es mit "Over The Wire" los. Einem Opener, wie er perfekter nicht sein könnte. Die Menge ist sofort dabei, hängt Justin Sullivan an den Lippen und singt jedes (und wirklich JEDES!) Wort lautstark mit. Unfassbar auch, wie sich einige total verheizte Hardcore Fans regelrechte Ausdruckstänze zu den Songs überlegt haben. Solch eine Euphorie gibt es heutzutage leider viel zu selten und vielleicht wirkt sie gerade deshalb doppelt so eindrucksvoll.

Die Band gibt sich sehr versiert und eingespielt. Sullivan fokussiert mit seinem ungeheuren Charisma und seiner Ausnahmestimme. Neben ihm sticht vor allem Bassist Nelson heraus, der für manche Songs hinter das zweite Schlagzeug wechselt, um ihnen mehr Druck zu verleihen. Der brandneue Gitarrist Marshall Gill sieht aus wie ein Kerry King Klon, passt aber paradoxerweise trotzdem wunderbar in das Bandgefüge hinein. Die Setlist bietet neben vier Songs vom aktuellen Album "Carnival" hauptsächlich das, was der Fan hören will. D.h. viel von "Thunder & Consolation" und die Hits der anderen Platten. Natürlich gibt es als erste Zugabe auch "Vagabounds" und "51st State", die das Publikum vollends zum Ausrasten bringen. Als dann mit "125mph" ein furioser Abschluss folgt, grinst auch Justin Sullivan wie ein kleines Kind und entblößt seine markante Zahnlücke: "It took 25 years to come to Lahr. Don´t know why we´ve waited so long." Nunja, er war schon dreimal da. Aber dem Alter verzeiht man an diesem Abend alles.

Benjamin Köhler