Konzertbericht

Neil Young & Crazy Horse


Festival de Nimes – das bedeutet eine Reihe namhafter Konzerte in den Arénes de Nimes, einem 2000 Jahre alten römischen Amphitheater. Wir schauten mal rein, als Neil Young & Crazy Horse und Patti Smith zu Gast waren. Und, soviel sei schon einmal verraten: Was vorab groß klang, wurde es dann auch.

Am Anfang des Tages steht die Erkenntnis, daß auch Mittfünfziger sich wie Teenager verhalten können und schon nachmittags vor dem Konzertvenue sitzen. Trotz brütender Hitze ist die Euphorie schon groß, das Bild bärtiger alter Männer (Typ: Besitzer eines Plattenladens, der nur gebrauchtes Vinyl führt, das mindestens 25 Jahre alt ist), die strahlen wie kleine Kinder, die am Weihnachtsabend mit neuem Lego spielen, ist großartig und stachelt die eigene Vorfreude an. Ein anderes zu beobachtendes Phänomen: Mittzwanziger, die offensichtlich vernarrt in ihre Gitarre sind und durch Onkel Neil sozialisiert wurden. Um den Abend emotional zu überstehen, haben sie ihre Freundin dabei, die ihnen mindestens alle zehn Minuten gut zuredet oder -turtelt. Alle die hier sind einigt das Bewußtsein, daß Neil Young & Crazy Horse live zu sehen eine seltene Besonderheit ist, die es mit kreisenden Endorphinen maximal zu genießen gilt.

Als um acht dann endlich Patti Smith die Bühne betritt, die mit 75 Minuten auch fast ein gesamtes Konzert spielt, ist die Stimmung ausgelassen. Smith ist in Frankreich sehr populär und wird dementsprechend gefeiert. Der Auftritt ist druckvoll und grandios – die Gute wird wohl irgendwann tot von der Bühne fallen. Trotz aller Rock'n'Roll-Energie versäumt sie es nicht, den beiden Kindern in der ersten Reihe bei der erstbesten Gelegenheit Ohrstöpsel zu verschaffen und sie permanent mit Trinkwasser zu versorgen. Nach Hits wie "Because The Night" oder "People Have The Power" und einem spitzenmäßigen Cover von Eddie Cochrans "Summertime Blues" macht sie die Bühne frei für weit über zwei Stunden Neil Young & Crazy Horse.

Diese beweisen eindrucksvoll, warum sie so wichtig für so viele heutige Bands sind. Fast beiläufig kommen sie auf die Bühne geschlurft. Die auf der Hallentour eingebauten, in typischer Young-Manier verrückten Kinkerlitzchen wie Eröffnungszeremonie und verrückte Wissenschaftler bleiben Open Air weg, und das ist vielleicht auch gut so – so geht es nur um die Musik an sich. Und diese spielt die Band mit einer inneren Energie, druckvoll und mit einer Freude, als wären sie gerade erst frisch zusammen. Da tritt Young Bassist Billy Talbot auch mal in den Hintern, wenn er ihm nicht laut genug mitsingt, es wird viel gelacht und untereinander geredet während des Konzerts. Am beeindruckendsten ist dieses während der ausufernden Instrumentalteile, wenn die Band eng zusammensteht, sich nahezu aneinander festklammern muss, um das erzeugte Soundgewitter zu überleben. Neil Young & Crazy Horse sind wohl die Erfinder der Bandchemie.

Mitten im Set gibt es einen Akustikteil, in dem Young mit Mundharmonika und Akustikgitarre "Heart Of Gold" oder Bob Dylans "Blowing In The Wind" in den Abendhimmel singt, bevor Billy Talbot wieder zum Baß, Poncho Sampedro zur Gitarre und Ralph Molina zu den Drumsticks greift und sich weiterhin neue und alte Klassiker aneinanderreihen. Erst als um 0 Uhr wirklich Schluß sein muß, verabschiedet sich die Band mit Youngs einziger Ansage des Abends und den Klassikern "Roll Another Number" und "Everybody Knows This Is Nowhere". Und als das Publikum ins nächtliche Städtchen strömt, bleibt die Erkenntnis stehen, wie einfach eigentlich schöne Musik und ein großartiges Konzert sein können, wenn die Musiker nur vollkommen genau das lieben, was sie tun.

Daniel Waldhuber