Konzertbericht

Mutoid Man


Ende Juni veröffentlichten Mutoid Man mit "Bleeder" aus dem Stand einen der heißen Anwärter auf das Metal-Album des Jahres. Vier Monate später bringt die Supergroup ihren rasanten Thrash'n'Roll nach Hamburg. Protokoll eines intensiven und – erwartungsgemäß – kurzen Vergnügens.

Die Rechnung ist schnell gemacht: Eine halbe Stunde Material vom Debütalbum plus knappe fünfzehn Minuten von der 2014 erschienenen EP "Helium Head" – Mutoid Man werden es schwer haben, länger als eine knappe Stunde auf der Bühne zu stehen. Müssen sie aber auch nicht, schließlich machen die Songs und Alben des Trios um Converge-Drummer Ben Koller und Cave-In-Gitarrist Steve Brodsky ja auch gerade wegen ihrer Kompaktheit Spaß. Damit der Abend nicht gar so kurz gerät, haben Mutoid Man aber die Kölner Blank mit dabei, die mit ihrem Hardcore/Doom/Black-Metal-Hybrid eine atmosphärisch dichte Einstimmung auf den Hauptact geben.

Mutoid Man mögen gerade eine der virtuosesten und dabei unprätentiösesten Metalplatten dieses Jahres veröffentlicht haben; sie wirken zu Beginn ihres Sets trotzdem wie drei überdrehte Schuljungen, die zu viel Wayne's World geguckt haben, bevor man sie auf eine Bühne geschubst hat. Während Brodsky vor dem ersten Song noch seine Gitarre stimmt, flachsen und gniedeln die beiden anderen Bandmitglieder schonmal los. Erst mit den ersten Tönen des Openers "Bridgeburner" tritt so etwas wie Disziplin ein – aber nur kurz. Ab da bespaßt sich das Trio mit wildem Grimassenschneiden, Instrumententausch und übertrieben verrenkten Rockgesten dauerhaft selbst. Die Performance leidet unter den Faxen zu keiner Zeit: Dabei zuzusehen, wie Brodsky und Bassist Nick Cageao sich in sekundenbruchteilkurzen Breaks grinsend gegenseitig den Mittelfinger zeigen oder sich mit überzogener Mick-Jagger-Schnute in halsbrecherisch schnelle Riffs stürzen und dabei mathematisch präzise mit dem gefühlt sechsarmigen Koller mithalten, ist wohl für alle anwesenden Musiker_innen nichts weniger als eine Lektion in Demut. Derart mühelos würden wohl nur wenige Bands durch den irrwitzigen 5/8-Takt von "Sweet Ivy" jagen.

Gut gelaunt prügeln sich Mutoid Man so durch drei Viertel von "Bleeder" und einen Großteil von "Helium Head", darunter das grandiose The-Animals-Cover "Don't Let Me Be Misunderstood". Mit "Sacrilege" schafft es dazu ein noch unveröffentlichter Song ins Set. Nach 50 Minuten ist dann schon wieder Schluss. Nick Cageao liegt zu diesem Zeitpunkt vor der Bühne auf dem Rücken und zupft die letzten Töne der Zugabe, ein verschwitzter Steve Brodsky wirft sich dazu am Bühnenrand in eine groteske Gitarrenheldenpose. Vielleicht das passendste Schlusstableau, das man sich für diese Show hätte ausdenken können.

David Albus