Konzertbericht

Junip


Schon ironisch: Da gründet José Gonzalez extra eine Band, damit das ganze Hillybilly um seine Person zumindest ein wenig verstummt und doch spricht sich rum, wer hier Bandkopf ist. Natürlich. Sonst wären das Kölner Gebäude 9 wohl kaum restlos ausverkauft und schon 200 Meter vor dem Eingang die ersten Ticketlosen auf Pirsch nach Restkarten. Wäre da doch nur nicht diese gewisse Telenovela, die Phantom Planet vom Indie-Geheimtipp zum Chartfutter machte, es würden wohl weitaus weniger Menschen mit seinen Solo-Songs “Stay In The Shade” oder “Crosses” – beide auf dem Soundtrack besagter Serie – in Berührung gekommen sein. Und für die wird es jetzt kritisch. Denn wie gesagt: Es geht bei Junip nur bedingt um José Gonzalez.

Chef im Ring ist hier kaum ein Mann mit seiner Gitarre. Es ist ein Gefühl. Eines, das fünf Musiker aus flächendeckenden Keyboards, hypnotischen Rhythmen und dieser schüchternen wie gelassenen Stimme leichtfüßig zusammenweben. Friedfertig, wenn auch mit einer winzigen, düsteren Nuance im Klang. So empfängt “Rope & Summit” mit dezent treibender Percussion in den Klangraum der Schweden. Und was für einen Bonus an Stimmung schon ein kleines Vogelhäuschen, ein paar Teppiche und eine Zimmerpflanze auf der Bühne bringen, tut ihr Übriges: Eintauchen, bitte!

Schon fast etwas Sakrales hat die Stille im Gebäude 9, die Junip herauf beschwören. Die Mehrheit der Äuglein bleibt da geschlossen, wenn die Band an die Hand nimmt auf ihrer stillen Fahrt durch ruhige Gewässer. Beständig plätschert das Schiff im Strom, der Horizont bleibt frei von Gefahren – das Hier & Jetzt gerät zum sorgenfreien Genuss. Vor allem die Rhythmik dieser Band deutet daraufhin, dass “Fields” die wahrscheinlich sanfteste Jam-Platte der letzten Jahre sein dürfte. “In Every Direction”, “Always”, “Without You” – Gonzalez träufelt stets bedacht ein paar Gesangsprisen über diese Songs, die Bilder von Kerzen in warmen Holzhütten inmitten kalter Winternächte auf die geistige Mattscheibe werfen. Die Band ist stets mitten in der Meditation – konzentriert, aber gelassen. Und Gonzalez' Stimme die in Klang gegossene Essenz dieses Gefühls.

Als Zugabe heimst “Official” im sehr homogenen Set noch einmal den Exotenbonus ein. So verträumt, so frei denkt sich's nur, wenn der innere Friede schon gefunden ist. “The beauty is gone – move on” heißt es gegen Ende des Songs. Ein Mantra, das jeder wiederholen muss, der nach sachter Fahrt auf diesem Floss wieder die Felsen des Alltags am Horizont erblickt. Die Sorgen, die Ängste, die Probleme – für diese Stunde waren sie ganz fern und das Gewässer ruhig. Und wenn Hindernisse der nächsten Tage nun wieder in Sichtweite geraten, ist da die beruhigende Gewissheit, dass mit diesen Fährmännern auch die wildeste See zu bändigen ist. Dafür reichen schon Erinnerungen an Stunden der Katharsis. Stunden wie diese.

Photo: Fredrik Egerstrand

Gordon Barnard