Konzertbericht

Julian Heidenreich & The Truck Driving Buddhas


Während ich hier sitze und diesen Konzertbericht schreibe, muss ich hart damit kämpfen, dass mir die Augen nicht zufallen. Nach drei Stunden Schlaf klingelte der Wecker heute morgen um halb sieben. Der erste Moment war grässlich, denn ich fühlte mich wie ausgesaugt und absolut nicht fähig, jemals aus meinem Bett zu kommen. Doch es dauerte keine vier Sekunden, und ich war zufrieden. Hinter mir lag der perfekte Abend. Er war nicht einfach nur schön. Nein. Er war perfekt. Ein Konzert, wie ich es bisher noch nie erleben durfte.

Dass das ein schöner Abend werden würde, wussten wir. Da machte uns selbst der Regen nichts aus, während wir in Frankfurts Straßen auf der Suche nach dem Bett waren. Das Bett, das ist eine kleine Räumlichkeit in einer Frankfurter Nebenstraße, so unauffällig, dass wir erst mal dran vorbeiliefen. Von sympathischen Hessen jenseits unseres Alters empfangen, stellten wir fest, dass man den Raum nicht besser hätte herrichten können: Keinen halben Meter vor der Bühne standen einige wenige Tische mit Stühlen, die zur Bühne gerichtet waren, im Hintergrund ruhiger Gitarrenpop bis angenehme Chillout-Musik. Doch wer steht denn da plötzlich auf der Bühne und stimmt seine Gitarre? Julian war das jedenfalls nicht. Ein Roadie? Quark. Nein, es war Jan, ein 20-jähriger Singer/Songwriter, für einige Gigs mit Julian Heidenreich & The Truck Driving Buddhas auf Tour. Der Jüngling mit dem knallblauen Shirt und der Gitarre macht deutschsprachigen, melancholischen und ehrlichen Gitarrenpop mit Titeln wie Noch immer nie wieder und Kann´s so bleiben. Überzeugt und beeindruckt hat er mit seiner direkten Stimme und den schönen Melodien eindeutig. Ernste Songs, die auf eine schöne Art im Ohr blieben, ohne zu poppig zu wirken.

Dann stand Julian Heidenreich mit seiner Begleitband, den Truck Driving Buddhas auf der kleinen Bühne, und vom ersten Song an wurde man verzaubert...

Jeder Akkordwechsel so wunderschön, als wäre jeder einzelne genauestens durchdacht. Julians Stimme ruhig und zart, seine Augen meist geschlossen, alle Körper leicht und weich mitwippend. Jeder einzelne Song ein Auslöser von Gänsehaut mit der wohl schönsten Melodie. Leichte, fließende Kopfbewegungen auf der Bühne. Der Anblick, die Töne, die Stimme, es passte einfach alles. So konzentriert Julian mit geschlossenen Augen aussah, so intensiv drang die Konzentration und die Leidenschaft direkt ins Publikum, als er sie langsam wieder öffnete. Dieser Blick, direkt, bestimmt, voll dabei und doch wie in Trance.

Ob sie nun alle richtig dabei waren, oder doch vollkommen woanders, weiß wohl nur die Band selbst. Auf jeden Fall schufen sie eine atemberaubende Atmosphäre, und man saß einfach nur da, ließ die warme, ruhige Musik auf sich wirken, und vergaß einfach alles. Vielleicht litt man sogar mit, wenn man in das wie von Schmerz verzerrte Gesicht Julians schaute. Vielleicht dachte man an eigene Schicksalsschläge, wenn man seiner Stimme lauschte. Vielleicht dachte man einfach nur: Wahnsinn. Vielleicht dachte man auch genau an all das, und bei The Perfekt Match ertappte man sich vielleicht dabei, wie sich der eigene Gesichtsausdruck änderte, geleitet von den traumhaften Melodien.

"Der nächste Song ist ein sehr ruhiger Song...", sagte Julian nach einigen Stücken. Leises Lachen im Publikum. "...naja, noch ruhiger", da musste er selbst ein bisschen grinsen, der Julian.

Als er nach dem letzten Song noch einmal alleine auf die Bühne kam, wurde es auf irgendeine Art noch ein bisschen dunkler im Raum, nur noch zwei rote Scheinwerfer strahlten ihn von hinten an, und während My Pretty Crying One wurde man ab und zu von dem Licht, das auf seiner vertapsten Gitarre reflektiert wurde, geblendet und ein paar Lichtschimmer spielten an den Wänden.

Beim nun wirklich und leider allerletzten Song, diesmal wieder mit der ganzen Band, schaffte es Julian bei dem minutenlangen Instrumentalfinale, in dem die Band noch einmal alles rausholte, tatsächlich mit geschlossenen Augen, um seine offene Wasserflasche herum zu tanzen, ohne sie umzustoßen.

Ein Fazit würde an dieser Stelle wohl alles totlabern. Wir waren sprachlos.

Stefanie Graze