Konzertbericht

HFStival


"Es soll kein Moshpit-Festival mehr sein, sondern den unterschiedlichen Ansprüchen der Festivalbesucher entsprechen". Das war die Aussage der Organisatoren des 17.HFStivals, das zum ersten Mal nicht im RFK Stadion, sondern auf dem Gelände des Merriweather Post Pavilions stattfinden sollte. Dessen Kapazität wurde dementsprechend verdoppelt, um den 40.000 Festivalbesuchern gerecht zu werden, wobei man sagen muss, dass das Festival in seinen glorreichen Zeiten bis zu 60.000 Musikliebhaber anzog. Gesponsert vom Baltimore/Washington D.C. Radiosender WHFS blickt das HFStival auf grossartige Acts in seiner Geschichte zurück, mit dabei waren unter anderem: Incubus, Red Hot Chili Peppers, Rage Against The Machine, INXS, The Prodigy, The Cardigans, Silverchair, Fat Boy Slim, Coldplay, The Cure, um nur einige zu nennen. Das Line-up sollte auch 2006 vielversprechend sein, zu sehen waren 60 Acts, wie zum Beispiel: Matisyahu, Kanye West, Cypress Hill, Rise Against, Panic! At the Disco, The Misfits, Anti-Flag, Counting Crows, Dashboard Confessional, The Strokes, A.F.I., H.I.M., Coheed and Cambria und Joan Jett.

Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein und morgens um 10 Uhr schon 28 Grad Celsius. Das war die Ausgangssituation am Festivalsonntag und dieser sollte meinen Erwartungen gerecht werden... Als wir auf den Parkplatz fuhren, sorgte das riesige, blinkende Schild "Parent drop-off" für ein Lachen unsererseits und den Gedanken, ob wir bei diesem Festival zu den "Alten" gehören würden. Wir wurden eingewiesen und der Parkplatz war zum Glück noch nicht übermaessig voll, allerdings war die Schlange am Haupteingang riesig. Da es keine Campingmöglichkeit gab, hatten einige wohl in ihren Autos übernachtet und mussten trotzdem anstehen, auch wenn sie bereits am Tag vorher auf dem Festival waren und das 2 Tages-Bändchen trugen. Allerdings erschien den Amerikanern dies als ganz normal, mich hätte es genervt, ca. 1 h in der Schlange stehen zu müssen, obwohl man nur den Securitycheck über sich ergehen lassen musste. Zudem war es nicht erlaubt Rucksäcke oder größere Taschen, Essen oder ungeöffnete Plastikflaschen mit auf das Gelände zu nehmen. Das eigentlich seltsame daran war allerdings, dass am Tag zuvor offene Wasserflaschen erlaubt waren, so lange sie leer waren (man konnte diese an den Wasserhähnen auffüllen).

Nichtsdestotrotz warteten alle ganz brav und schon bevor man das Festivalgelände betrat, hatte man diverse Sticker, Flyer und anderen Merchandise in den Händen. Die Securitymänner und -Frauen überprüften die Festivalbesucher überraschenderweise nicht sehr gründlich und war man erstmal auf dem Gelände erwarteten einen noch mehr Flyer, Heftchen usw. Auch D.C.'s 9:30 Club meinte es gut mit den Besuchern und jeder erhielt eine Tüte voller Flyer, Buttons, Promo-CDs usw.

Vollbepackt führte unser erster Weg zur Main Stage, für diese gab es drei Ticketkategorien, zum einen die Moshpit-Tickets direkt vor der Bühne für 75 $ pro Tag, dann die Sitzplaetze für 90 $ und die billigen "lawn" Tickets für 45 $. Mit "lawn" wurde der Rasen hinter den überdachten Sitzplätzen bezeichnet. Da allerdings alles auf einem Hügel angelegt war, konnte man auch von dort aus und dank fünf grosser Bildschirme das Konzertgeschehen gut mitverfolgen. Weiter ging es vorbei an diversen Essens-, Getränke- und T-Shirt-Ständen zur "Locals Only Stage", auf dieser kleineren Bühne spielten nur Bands aus Virginia, Washington D.C. und Maryland. Ein paar 100 Meter weiter war die "Side Stage", die in etwa die Größe des Talent Forums bei Rock am Ring hatte. Vor dieser Bühne überkamen mich richtige Festivalgefühle, denn erstens stand man in der prallen Sonne (ein Hoch auf die 35 Grad Celsius an diesem Tag), zum anderen wurde nur vor dieser Bühne gepogt, getanzt und einfach den Gefühlen freien Lauf gelassen.

Zu den Sanitäreneinrichtungen kann man sagen, dass sie ausreichend vorhanden waren. So gab es zwei Gebäude mit "richtigen" Toiletten, sowie eine grosse Anzahl an Dixieklos. Kein einziges Mal musste man Anstehen! Das war schon sehr angenehm, obwohl man trotz überhöhter Getränkepreise, sowieso nicht so viel trinken konnte, bzw. in meinem Fall, keinen Alkohol. Diesen gab es nämlich nur unter Vorlage einer ID, die den Besitzer als über 21jaehrigen einstuft. Apropos Alkohol: Ich habe auf dem ganzen Festival insgesamt nur 4 vollends Betrunkene oder unter anderen Drogen stehende gesehen! Die meisten waren also tatsächlich nur wegen der Musik gekommen, oder sie konnten es sich einfach nicht leisten, bei Preisen ab 10$ für eine Flasche Corona, sich zu betrinken.

Die Festivalbesucher an sich hätten unterschiedlicher nicht sein können: Es gab Mamas und Papas mit Nachwuchs, Indiegirls, Emoboys, Gothics, Punks, Collegestudenten und viele mehr. Außerdem habe ich noch niemals soviele Festivalbesucher in Flip-Flops gesehen! Für den größten Lacher sorgte ein etwa 13jähriger Junge, der auf seinen nackten Oberkörper "Show me tittys!!!" gepinselt hatte. Damit hatte er an diesem Tag allerdings kein Glück, denn es gab zwar Mädels im Bikini, aber keine liess sich dazu hinreißen, sich völlig zu entblößen.

Bevor ich nun auf die verschiedenen Bands eingehe, ein Hoch auf "Rockstar", den neuen Energydrink! Dadurch, dass dieses Getränk mit 2 $ pro Becher das billigste war, kam ich auf die Idee den "Rockstar" zu probieren. "Rockstar juiced" schmeckt wie Multivitaminsaft und ich musste mir direkt einen zweiten Becher holen. Der Genuss dieses Getränks führte allerdings dazu, dass ich ziemlich hyperaktiv wurde... Trotzdem kann ich es nur empfehlen, aber nur in Maßen!

Nun aber zum wichtigsten Teil: Die Musik. Zuerst habe ich mir eine lokale Band namens The Hint angesehen. Die Idee einer Bühne nur für lokale Bands war meiner Meinung nach sehr gut, denn jeder kam auf dem Weg von der Main Stage zur Side Stage an der Locals Only Stage vorbei, und die lokalen Bands hatten somit eine gute Gelegenheit sich zu präsentieren. The Hint haben mit ihrem Indiepop gut gerockt, wenn auch ihre Musik nichts Neues darstellt. Mir kamen die Bandmitglieder sehr jung vor und trotz, dass sie die erste Band des Tages waren, brachten sie ausreichend Energie mit, um dem Publikum einzuheizen.

Als nächstes ging es zur Side Stage, dort spielten bereits Love Arcade. Irgendwie sahen sie aus wie ein Verschnitt der Village People. Mir hat ihre Musik überhaupt nicht gefallen, da es mich insgesamt zu sehr an "Barbie Girl" erinnert hat. Allerdings sorgte die folgende Band für ein Aufhorchen meinerseits. "Augustana" rockten mit viel Gefühl die Bühne und hatten wohl auch einige Fans mitgebracht. Dadurch, dass mich der Auftritt der Band aus Kalifornien wirklich überzeugt hatte, habe ich mir sofort das aktuelle Album "All the Stars and Boulevards" gekauft und somit kam ich zu dem Gewinn eines Meet and Greet mit der Band. Besonders der letzte Song "Boston" hat mir sehr gut gefallen. Leider gibt es noch keine Pläne, dass Augustana bald nach Deutschland kommen, denn sie gehen erstmal als Snow Patrol Support auf Tour durch die Vereinigten Staaten.

Nach Augustana schaute ich mir Joan Jett and the Blackhearts an und natürlich wurde hier ordentlich gerockt. Diese Stimmung konnten Coheed and Cambria nicht halten, zwar lieferten sie eine gute Show, die aber viel zu kurz und sehr instrumental gehalten war. Nach dieser Show verzog ich mich wieder zur Side Stage um Boy Sets Fire zu sehen. Ich habe die Jungs vor ca. drei Jahren das erste Mal gesehen, und ihre Show ist immer noch so mitreißend, wie damals. Wie immer unterlegt mit politischen Ansagen, konnten sie das Publikum zum Pogen bringen und auch die Textsicherheit der Festivalbesucher wurde getestet. Es hat echt Spass gemacht, den Jungs zuzusehen.

H.I.M. spielte nun auf der Main Stage und sah seltsamerweise Johnny Depp zum Verwechseln ähnlich. Da es sehr viele H.I.M.-Fans im Publikum gab, war die Euphorie dementsprechend gross, und sie wollten ihre Lieblinge gar nicht mehr gehen lassen. Was allerdings darauf folgte, war eine Rockshow der Superklasse. A.F.I. brachten das Gelände zum beben, neue und alte Songs gut gemischt, gaben sie alles und es wurde laut mitgesungen, getanzt und gepogt. Mit Sicherheit war dies einer der Höhepunkte des Tages, zum Beispiel die Songs "Silver and Gold" und das traurig-schöne "This Time Imperfect".

Nach kurzer Umbauphase betraten The Strokes die Bühne und man kann nur sagen, dass der mit Spannung erwartete Auftritt einfach enttäuschend war. Die Songs kamen nicht gut beim Publikum an, es wurden überwiegend neue Songs gespielt und man hatte einfach das Gefühl, dass sie nur ihre Setlist runterspielen. Das einzige, was Sänger Julian Casablancas zum Publikum sagte, war: "Have fun backstage!" und damit schmiss er seinen Backstagepass ins Publikum. Vielleicht hatte die Band einfach nur einen schlechten Tag, trotzdem war ihr Auftritt keinesfalls gelungen, wobei man sagen muss, dass sich alle Bandmitglieder, bis auf den Sänger selbst, viel Mühe gaben. Aber die nötige Verbindung zum Publikum fehlte völlig.

Nach dieser Enttäuschung stieg die Spannung förmlich bis zum Auftritt von Dashboard Confessional. Chris Carraba, zusammen mit Bandunterstützung, betrat die Bühne und die Show war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mit Feuerzeugen in der Luft und verliebten Pärchen ueberall. Ganz grosse Klasse! Es wurden Songs von "A Mark, A Mission, A Brand, A Scar", "The Places You Have Come To Fear The Most" und "Swiss Army Romance" gespielt. Highlight folgte auf Highlight und auch ein neuer Song ließ die Vorfreude auf das neue Dashboard-Album steigen. Das Publikum wollte Chris Carraba kaum gehen lassen.

Ein wundervoller Tag ging somit zu Ende. Das Festival war schon etwas anderes, als ich es von Deutschland her kenne, aber es war wirklich ein Erlebnis!

Verena Blättermann