Konzertbericht

Ghostpoet


Lange Zeit haben sich die Musikmedien schwer getan, Obaro Ejimiwe, besser bekannt als Ghostpoet, in ein musikalisches Genre einzuordnen. Am einfachsten war es scheinbar, ihn mit seiner Mischung aus Sprechen und Gesang in eine Schublade mit Rap-Musikern zu drücken. Schließlich ist das ja Sprechgesang. Mittlerweile ist klar: Mit Rap-Musik hat Ghostpoet eigentlich so gar nichts zu tun. Das beweist er auch im Berliner Club Magnet. Denn was man am 07.05.2015 geboten bekommt, ist ein klassischer Bandauftritt.

Es ist ein warmer, sonniger Donnerstagmorgen in der Hauptstadt und das Wetter könnte kaum besser sein, um sich ein Nachmittagsbier zu gönnen und abends einen schönen Auftritt anzusehen. Doch nur wenige Stunden später ist es schon wesentlich kühler geworden und die Mittagspause begrüßt einen mit Wolken und Wind. Als dann die frühen Abendstunden einbrechen, stürmt es fast auf der Oberbaumbrücke, die man überqueren muss, wenn man von der Warschauer Straße ins Magnet läuft. Hätte man doch besser den Tag nicht vor dem Abend gelobt. Aber irgendwie passen die Regenwolken, die sich verschwörerisch am Horizont zusammen klauben, eh viel besser zu den Trennungsliedern von Ghostpoet.

Drinnen dann der erste Schock: Die Location ist rappelvoll und das Fassungsvermögen scheinbar komplett ausgereizt. Was für Künstler und Veranstalter eine Wonne ist, ist für den Besucher eine Qual. Es ist zu voll. Wer jetzt nicht das skrupellose Drängel-Gen in sich trägt, der muss mit schlechter Sicht leben. Immerhin beweisen die Sicherheitsleute genügend Fingerspitzengefühl, um die Tür zur Konzerthalle offen zu lassen, damit die Wärme einem nicht die Kehle zuschnürrt. Das Publikum bleibt trotzdem entspannt. Der Altersschnitt ist ungefähr 32, genau wie der Künstler selbst. Ausbrüche gibt es eher nach oben als nach unten. Teenie-Fans scheint Ghostpoet nicht zu haben.

Nach einer etwas drögen Vorband, die zwar bemüht, aber insgesamt zu lethargisch agiert, steht der Londoner Sprech-Sänger endlich auf der Bühne. Dabei ist er nicht allein, denn ob Bass, Schlagzeug, Gitarre oder Synthesizer, auf der Bühne versammelt sich eine ganze Band. Der Fokus liegt für Ghostpoet vor allem auf dem aktuellen Album mit Songs wie "X Marks The Spot", aber für Liebhaber gibt es auch Songs wie "Survive It". Verwundert ist man über den Grasgeruch in der Luft. Denn auch wenn Ghostpoet für melancholische Musik bekannt ist, lädt das Konzert kein bisschen zum Entspannen ein. Vielmehr spielt die Band die Songs deutlich schneller und aus traurigen Break-Up-Songs wird tanzbarer Indie-Pop. Als kleines Highlight stellt sich die bezaubernde Background-Sängerin heraus, die mit ihrer souligen Stimme unter anderem auf dem Titelsong "Shedding Skin" für Gänsehaut sorgt. Wer an diesem Abend für ein Rap-Konzert gekommen ist, der wird eines Besseren belehrt. Auch wenn der Name Ghostpoet nach wie vor nach einem geheimen Mitglied des Wu-Tang-Clans klingt.

Besonders schön ist die Akustik an diesem Abend. Das Klangbild ist perfekt gestaltet und selbst wenn der Fokus klar auf der tiefen Stimme des Hauptdarstellers liegt, bekommt auch der Gitarrist seinen Solo-Moment, während der Bass konstant die Marschrichtung angibt. Zusätzlich prescht der Synthesizer immer wieder mit sphärischen Sounds dazwischen. Sehen kann man den Künstler dabei zwar nicht wirklich gut, aber immerhin scheint zumindest er das volle Haus zu genießen und die sehr gute Akustik tröstet über das fehlende visuelle Erlebnis hinweg. Als das Konzert vorbei ist, ziehen die Leute ihre Mäntel fest zu. Es ist eine kalte Frühlingsnacht geworden und auch wenn Ghostpoet die gebeutelten Berliner Herzen für eine Stunde um sich versammelt hat wie ein warmes Ofenfeuer, hat die Natur andere Pläne. Dieser Donnerstag ist kein Tag für Nachtschwärmer. Es geht ab unter die Decke. Und kurz vor dem Einschlafen: im Kopf die Geschichten des geisterhaften Poeten.

Arne Lehrke