Konzertbericht

Future Of The Left


Kurz vor Acht, die Clubtüren sind noch geschlossen, aus dem Inneren des Römers hört man einen holprigen Soundcheck. Und so langsam sammeln sich die Leute – nicht vor dem Römer, sondern vor der Dönerbude gegenüber. Aber da werden schon noch einige kommen.

Von Future Of The Lefts Support liest man das erste Mal, als man dann schließlich im äußerst langgestreckten, dafür sehr schmalen Römer den ersten Schluck seines Bieres genossen hat, die Augen im Raum umherkreisen lässt und unweigerlich beim Merchandise-Stand (Merchandise-Ecke wäre treffender) hängen bleibt. Chic gestaltete EPs lassen da "On Canvas" verlauten, eine Bremer Lokalband. Let's give 'em a chance, sagt sich da das offene Musikhörerherz, da man im Vorfeld eh nicht wusste, was für ein Support heute auflaufen würde.

Toll an On Canvas ist, dass sie ein Keyboard dabei haben und, dass mal wieder ein Bassist am Mikrofon steht. Nicht so schön ist der ganze Rest: Ein Soundbrei matscht aus den Boxen, alles übersteuert, besagter Bassist erinnert stimmlich etwas an Jim Ward von Sparta, jedoch mit deutlichen Abstrichen. Der Schlagzeuger macht einiges her und musikalisch kann man erahnen, dass das hier recht komplex sein soll/will (kaum ein Song bleibt unter 4 Minuten), oft klingt's aber einfach schief – allerdings nicht in dem Sinne, in dem zum Beispiel Free Jazz schief klingt. Dissonanzen en masse. Das Keyboard ist mal recht passend, manchmal aber nur nervig. Ein Proberaum wäre derzeit nicht verfügbar, gibt der Gitarrist bekannt. Sorry Jungs, aber das merkt man. Ein Blick auf den Bereich umittelbar vor der Bühne und die wiederholte Aufforderung ans Publikum, doch bitte näher zu kommen, unterstreichen diesen Eindruck. Man schaut selbst einmal in den Club, immer noch nicht viele Leute. Hoffentlich werden da noch einige kommen.

Beim letzten Song von On Canvas dann der Gedanke: Schnell jetzt ein Future-Of-The-Left-Shirt krallen, sonst könnte es mit dem Zug knapp werden. Der Typ in der Merchandise-Ecke sieht aus wie ein exmatrikulierter Kunststudent, Band-Shirt und Schlaghose tun ihr übriges. Vor ihm liegt eine weiße, mit Edding beschriebene DIN A4 Seite, die nur ein Wort pro Zeile beherbergt. "Kept", darunter "Lord". Moment, ist das die Setlist? Und ist das nicht Andy Falkous? Tatsache. Andere Frisur als bei Mclusky (viel mehr Haare!) und deutlich an Gewicht verloren, sieht er wesentlich gesünder aus. Seinen kranken Humor hat er zum Glück immer noch, man lese nur die Lyrics seiner neuen Band. Nach einem kurzen Plausch über Touren auf europäischem Festland (auf Konzerten seien hier in Deutschland wesentlich mehr Besucher) und Aereogramme entschuldigt er sich, da er ja gleich auf die Bühne muss. Einerseits schade, andererseits großartig! Also wieder nach vorn.

Kurze Zeit später sind die Drei dann auf der Bühne. Drummer Jack Egglestone sieht mit seinem Bart und skurriler Mimik irgendwie aus wie ein überfordertes Schlagzeugäffchen, drischt aber schon mit dem schweren Groove des Openers "Kept By Bees" ordentlich auf sein Kit ein, Neuzugang und Bassist Kelson Matthias lässt sich zwischen Lackschuhen, grauem Shirt und ebenfalls ordentlich Bartwuchs hingegen so gar nicht zuordnen. Aber wieso eigentlich Bassist? Der Gain-Regler seines Viersaiters ist auf Anschlag, meist übertönt er sogar das kreissägenartige Gitarrenspiel seines Kollegen Andy Falkous. Wie bei ihrer Vorband ist der Sound ordentlich lärmend, aber: So ist es gewollt, Noise'n'Roll, Baby! Falkous ist heute mit seinen berüchtigt-schwarzhumorigen Bühnenansagen erstaunlich sparsam, dennoch machen die nächsten 50 Minuten einfach nur noch Spaß. Man singt selten bekloppte Textzeilen mit ("Wave wave wave i don't wanna wave at them!"), grinst unweigerlich, wenn Falkous bei Songs à la "Manchasm" einen Synthesizer zum Eintastenintrument degradiert und freut sich über jeden weiteren kaputten Hit, den sie auf uns loslassen. Wie viele sie davon haben, erstaunt immer wieder. Ein Highlight stellt dann "I Need To Know How To Kill A Cat" dar. Das Bassriff hypnotisiert, der Refrain ist eine einzige Hyperventilation:"Ah ah. Ah ah ah. Ah ah ah". Und das Hirn hat Urlaub. Auf dem Album, von dem sonst bis auf zwei Songs alles gespielt wird, ist der Track nicht mal vertreten, was nur mal wieder unterstreicht, was diese Jungs noch alles im Ärmel haben.

Ein Blick in den Club: Immer noch nicht sehr viele Leute, da kommen wohl auch keine mehr. Schade. Aber scheiß' drauf! Future Of The Left lassen sich nicht beirren, sie sind ja auch selbst schon irre genug. Einen Beweis dafür gibt's dann mit der Zugabe ("We're gonna play one more song and it's not Eye Of The Tiger"), als Andy Falkous nach einem brandneuen Stück seine Gitarre lärmend am Boden liegen lässt und sich als neues Opfer seinen Drummer auswählt. Während dieser nun tatsächlich zum Affen wird und sein Kit ohne Atempause zusammenmöbelt, baut Falkous das komplette Schlagzeug schon mal ab, bis er seinem penetranten Trommler schließlich auch noch die Sticks entreißen muss. Letzterer schwitzt wie nach einem Marathonlauf mit Stereoanlage auf dem Rücken und sein Gesicht verrät, dass er sich auch genauso fühlt: Im Arsch, aber glücklich. Kelson Matthias lässt sich zu diesem Zeitpunkt bereits volllaufen.

Diese Band fühlt sich im Club eben so heimisch, wie Collin eine verdammt hübsche Pussycat ist. Sie sind schräg, sie sind anders und sie halten sich nicht an die Regeln konventioneller Popmusik. Deswegen meinte Steve Albini auch mal, sie seien die beste Band Großbritanniens. Um so einen Sound hinzubekommen, muss man halt schon einen kleinen Knacks im Kopf haben. Um sie zu lieben sicherlich auch, weshalb die erste Person in diesem Review auch prophylaktisch unterbunden wurde. Nun: Ich habe mir die Setlist an meine Zimmerwand gehängt.

Gordon Barnard