Konzertbericht

Editors


Teufelskreis der Musikschaffenden: Wer touren will, sollte dazu ein Album veröffentlicht haben; wer dessen Songs auf der Tour dann aber nicht in den Mittelpunkt stellt, gesteht selber ein, die Neuveröffentlichung quasi selber so sehr für ein leidiges Übel zu halten wie die Fans wahrscheinlich auch. Looking at you, Foo Fighters! Wer dann aber doch mal ne Tour lang die alten Klopper heraushauen und sich zusätzlich noch im Weihnachtsgeschäft das lang ersehnte Drumkit aus purem Gold verdienen möchte, den lacht die Idee des Best-Of-Album an. Auftritt Editors.

Denen fehlte nach den prall gefüllten Mehrzweckhallen und der Bühnentheatralik eines Tom Smith, die Chris Martin wie ein introvertiertes Mauerblümchen erscheinen lassen, sowieso nur noch wenige Kreuze im Rockstarbingo. Und spätestens nach "Violence" und dessen vereinzelten Perlen wie dem donnernden "Hallelujah (So Low)" hat sich die Band einen Rückblick auf anderthalb Jahrzehnte Bandgeschichte dann auch tatsächlich verdient – denkt sich auch eine beachtliche Anzahl mitgealterter Fans aus dem Rhein-Ruhr-Ballungszentrum und (wenig überraschend) Benelux, die die Mitsubishi Electric Hall füllen.

Die Live-Revue ist dann – nach dem kurzen Support der Whispering Sons aus Belgien, deren kühl lärmender Postpunk eher an die späteren Editors-Phasen erinnert – tatsächlich im Großen und Ganzen relativ chronologisch aufgebaut, arbeitet sich vom "Joy Division zum Biertrinken"-Sound der ersten Alben zum Stadionrock und Synthpop der letzten Dekade, um es sich die komplette Zugabe lang wieder im Gitarrensound der Anfangstage bequem zu machen. Die Dramaturgie dankt: Einen besseren Konzert-Opener als "An End Has A Start" hat die Band nie geschrieben, der Evergreen "Papillon" wird von seiner ansonsten typischen Rausschmeißer-Position in den Mittelpunkt des Auftritts gerückt, wo es seine fast schon absurden Disco-Qualitäten noch besser entfalten kann. Auch Verschnaufpausen wie das alleine von Smith auf der Akustikgitarre vorgetragene "The Weight Of The World" können so die U2-Gedächtnis-Singalongs des 2013er Albums "The Weight Of Your Love" nicht nur, was den Titel betrifft, perfekt vorbereiten.

Dass dann die beiden neuen Songs von "Black Gold" natürlich doch irgendwann schwach aus dem Niemandsland der ersten Konzerthälfte winken müssen – geschenkt: bei einer Band, die ansonsten ohne Cover zwei Stunden nur mit Hits füllen kann, tut auch die eine oder andere B-Seite nicht weh. Rückwärtsgerichtet, wie deren Sound ist, lassen sie sowieso vermuten, dass die Editors bald schon wieder die nächste gelungene Weiterentwicklung einschlagen werden. Irgendwann dann in 15 Jahren das zweite verdiente Best Of, das wäre natürlich absolute Königsklasse. Zuzutrauen ist es den Editors allemal.

Jan Martens