Konzertbericht

Deichkind


Es gibt Leute, die freuen sich auf ein Deichkind-Konzert mehr, als auf so manch größere Band. Und zwar so sehr, dass sie schon pünktlich um 22 Uhr vor den Türen des Crash stehen und sich wundern, warum denn sonst überhaupt niemand da ist. Seltsam, aber so hat man immerhin noch Zeit sich das Spiel Italien-USA im Innenhof anzuschauen. Selbiges machen auch die Deichkinder gerade, die wieder modetechnisch neue Grenzen des erträglichen ausloten: Phillipp ist ein echter Gangsta und stellt stolz sein The Game-Shirt zur Schau, und Buddy gibt den absoluten Oberstyler durch eine wahre Reinkarnation des unglaublichen Hulk.

Spielende. Rein in den Club. Immer noch absolut gähnende Leere. Wenigstens legt gerade ein DJ netten Electroclash und House auf. Trotzdem wird das Warten zur absoluten Geduldsprobe. Das Crash füllt sich zwar nach und nach, doch nach Stunden weiterhin kein Lebenszeichen der Crew. Beim Luft schnappen um halb eins fällt uns dann ein Plakat auf: "Deichkind – ab 1:30 Uhr". Na prima... Kurz geärgert, doch was dann kommen sollte, entschädigte für alles.

1:30 Uhr. Mittlerweile platzt die Location aus allen Nähten. Treibhaustemperaturen und eine geschätzte Luftfeuchtigkeit von 99% machen das Atmen zum Überlebenskampf. Und dabei hat das Konzert noch nicht einmal begonnen! Plötzlich betritt ein als Skelett verkleideter Winzling die Bühne und heult mit seinem Nebelhorn in die Menge, die daraufhin komplett austickt. Der völlige Wahnsinn bricht über uns herein als vier Vollspacken einen Sturm des Irrsinns entfesseln. Gekleidet in einem kruden Mix aus Pyramidenhüten, LCD-Leuchten, Müllsäcken, Wunderkerzen und Leuchtkreiseln überfordern die Kinder vom Deich erst mal die Augen der Zuschauer. Was zur Hölle ist das?

Der Beat kommt aus der Konserve, aber das juckt keine Sau, denn hier wird sowas von tight nach vorne gerhymet, dass diese Art von Coolness nur noch durch das auf einer Hüpfburg (sic!) springende Skelett getoppt werden kann. Der Schweiß fließt geradezu von den Körpern und auch von der Decke. Kein Problem, dann werden eben Regenschirme aufgespannt! Und als zu "Remmi Demmi" tatsächlich die (Polster)möbel durch die Gegend fliegen, hat sich der schwitzende Mob längst der völligen Ekstase ergeben.

Jeder Song wird fortan gefeiert und zelebriert wie ein 4:0 über England. Selbst die alten Hip Hop-Tracks passen perfekt in die Setlist und werden dankend angenommen. Die Hitze wird derweil unerträglich und nicht wenige stehen nur noch in Shorts da. Das Skelett versucht die schlimmsten Dehydrierungen durch massives Ausschenken von Jägermeister und Wodka zu bekämpfen. Nach der Verwurstung von "No Limit" (2 Unlimited) und "Pump Up The Jam" (Technotronic) und einem erneuten "Remmi Demmi" als zweite Zugabe hält es die Leute nicht mehr vor der Bühne. Ein herrliches Abschlussbild schwitzender Menschen beendet die Hysterie. Nass bis auf die Haut will jeder nur noch raus an die Luft. "Wir haben noch DJs mitgebracht!" ruft Phillipp hinterher. Nix für ungut, aber noch einmal 3 Kilo verlieren muss nicht sein.

Benjamin Köhler