Konzertbericht

Cold Specks


Al Spx betritt die Bühne – und im Auditorium ist Schweigen. Eigentlich auch selbsterklärend: In der Kirche faselt ja auch niemand mehr, sobald der Pfarrer auf die Kanzel tritt, und im Endeffekt sind Musik und Liveauftritte von Cold Specks auf ähnliche Art und Weise irgendwie spirituell – die eigene Genrezuschreibung "Doom Soul" hätte auch durchaus noch um den Begriff "Gospel" ergänzt werden können.

Ein guter Prediger wiederum ist natürlich am effektivsten allein – so ist es eigentlich auch nur folgerichtig, dass es an diesem Samstagabend keine Vorband gibt, auch ist das (zu großen Teilen schon ziemlich in die Jahre gekommene) Publikum immer dann am andächtigsten, wenn Al Spx a cappella singt und dabei oft nicht einmal ein Mikrofon benötigt. Nicht, dass die Band nicht gut oder ihr Spiel unnötig wäre – "Hector" wäre deutlich weniger eindringlich ohne sein Schlagzeugspiel, "Winter Solstice" würde ohne Keyboard nicht funktionieren – aber schließlich sind Cold Specks dann doch vorrangig Al Spx, ihre Stimmbänder, ihre Lunge, ihre Sprechwerkzeuge.

Was diese dann aber doch von religiösen Sektenführern unterscheidet: Diese merkwürdige Ambivalenz, mit der sie zum einen voller Inbrunst den Takt ihrer Lieder auf den Holzboden stampft, zum anderen aber immer wieder sekundenlang an die Decke schielt, als wolle sie irgendeine Unsicherheit vor dem Publikum überwinden oder müsse sie sich einfach angestrengt an die nächsten Zeilen erinnern. Und wenn Al Spx dann zwischendurch zur Auflockerung bemerkt, dass sie ja noch einen anzüglichen Witz erzählen müsse (der dann von Kannibalen und Oralsex handelt) und ihr ganzes Stimmvolumen in eine Neuinterpretation des Theme Songs vom "Fresh Prince Of Bel Air" steckt, ist der komplette, knapp einstündige Auftritt eben nicht nur eine spirituelle Erfahrung, sondern auch auf eine sehr herzliche Art und Weise menschlich. Und das kann man in der Kirche nicht einmal vom Papst erwarten.

Jan Martens