Konzertbericht

Chikinki


Auf einem dreitägigen Festival spielen um die 50 Bands. Kommt es da auf eine kurz vorher noch an? Ja! Am Mittwoch Abend, ein Tag vor Abreise Richtung Southside, spielten Chikinki im Heidelberger Karlstorbahnhof. Doch meine Leute hatten entweder keine Kohle, mussten bei dem schwedischen Klamottenladen mit den zwei Buchstaben arbeiten oder hatten am Folgetag mündliches Abitur. Was tut man, wenn man diese Band trotzdem auf Teufel komm raus sehen will? Richtig, man fährt alleine hin.

Das tat ich. Zum ersten Mal.

Von der Kölner Vorband Sister Love musste ich höchstens zwei oder drei Songs verpasst haben. Als ich ankam, stellten sie sich noch einmal vor, denn "als wir das zum ersten Mal gesagt haben, wart ihr ja noch gar nicht alle hier." Während hauptsächlich männliche Besucher im Nebenraum des Karlstorbahnhofs saßen, um sich anzusehen, wie temperamentvolle Argentinier auf impulsive Holländer stießen, sang die süße, dennoch irgendwie verruchte Frontsängerin in knalltürkisen Stiefeln, Netzstrumpfhose und Herzohrringen elektropoppige Songs. Sehr energisch und doch so schön, und absolut tanzbar. Ihre Stimme war klar und klang niedlich, auch, wenn sie sie nicht nur zum Singen benutzte. Mal stöhnte sie ins Mikro, mal wuschelte sie sich ihre Haare ins Gesicht und selbstverständlich fielen viele Kommentare über den Fußballwahn. Alles doch irgendwie sehr sympathisch.

Es folgte die Umbaupause. Und Stille. Stille? Was ist mit Musik? Auf dem Weg zur Bar hörte ich den Soundmann zum anderen Soundmann sagen "Ja, dann such mal den DJ..." Glücklicherweise hat man den Guten noch gefunden, und sehr angenehme Musik füllte den Raum. Doch die Pause schien so lang. Wie lange kann sich eine Band bitte Zeit lassen? Nach einiger Zeit füllte sich der Saal allmählich wieder, was wohl am beendeten Fußballspiel lag, und die Jungs mit den Vogelnestern auf dem Kopf nahmen endlich die Bühne ein. So richtig glücklich sah Sänger Rupert jedoch nicht aus. Blendendes Licht und technische Probleme machten ihnen den Anfang etwas schwer, doch all das wurde im Laufe der Zeit gemeistert, und jetzt konnte man so richtig loslegen...

Chikinki muss übersetzt wohl "Action auf der Bühne" heißen, oder so ähnlich. Der Drummer riss seinen Kopf hin und her, die dunklen Haare flogen, Rupert stampfte mit den Füßen (dabei musste er ab und an seine Hose hochziehen, denn die war sehr eng und saß noch tiefer, Einblick in den Schambereich inklusive) und einer der beiden Synthiejungs erinnerte an einen kleinen Schulnerd aus der ersten Reihe. Ständig fummelte er auf dem Boden zwischen Kabeln und Steckern herum, während die andere Hand hochgestreckt den Synthie beherrschte. Verbrachte er seine Zeit nicht gerade unter dem Synthie, zuckte sein Körper herrlich, klappte zusammen, riss seine Füße zusammen und wieder auseinander. Ein Bild für die Götter, das mitriss. Das nennt sich wohl wirklich "Liebe zu den Tönen". Direkt vor der Bühne wurde getanzt, als gäbe es kein morgen mehr. Wenn auch nur von einer Hand voll Leuten, aber mal ganz ehrlich: wer da nicht mittanzt, ist selber schuld. Noch während die Band sich ihren Instrumenten widmete, verschwand Rupert "knappe Jeans" Browne hinter dem Vorhang, bis schließlich Hochhäuser durch die gigantisch aufgebauten Klangwände der restlichen vier Chikinkis einstürzten.

Mit einem Strahlen im Gesicht lief ich summend und mitwippend durch die Heidelberger Altstadt Richtung Auto. Nicht mal ein vermuteter Strafzettel wegen Falschparkens hätte mich davon abbringen können. Ich konnte nicht einmal Musik einschalten. Nach diesem Erlebnis war ich meine eigene Musik und sang während der gesamten Heimfahrt den Refrain von "You Said" in Dauerrotation. Der perfekte Auftakt für das Southside Festival, doch daran dachte ich in diesem Moment gar nicht. Chikinki ist eine großartige Band und schenkte mir eines der besten Konzerterlebnisse in den letzten Monaten.

Stefanie Graze