Konzertbericht
Benjamin Clementine
Benjamin Clementine ist gerade mal Mitte 20, ein junger Brite ghanaischer Abstammung aus dem Norden Londons. Er ist einer dieser Künstler, die eine unglaubliche Ausstrahlung haben, ohne sich dafür zumindest offensichtlich besonders anzustrengen, erinnernd etwa an Antony Hegarty oder Leonard Cohen. Schnell ist klar, dass der Abend ein ganz besonderer ist.
Clementine ist Musik, das kann jeder im Raum spüren. Er möchte auch nur seine Songs spielen, große Balladen voll großer Worte wie "Cornerstone" oder "I Won't Complain", angetrieben von seinem Klavierspiel. Über allem steht seine unglaubliche, facettenreiche, fesselnde Stimme. So sehr diese beim Singen explodiert und vibriert, so leise flüstert Clementine bei den wenigen Ansagen.
Nach der Hälfte des Sets entschuldigt er sich, dass er nichts sagt. Er wolle eben einfach nur seine Songs spielen. Mit Genugtuung sieht das Publikum es ihm nach. Nicht so ein neugieriger Zuschauer aus den ersten Reihen, der Clementine vor den Zugaben fragt, wie es ihm gehe. Als Clementine antwortet, das stecke doch alles in seinen Songs, und im Gegenzug detailliert fragt, wie es dem Zuschauer denn gehe, was er so mache, was ihn bewege, schreckt dieser schnell zurück. "You started this conversation – so why do you stop following it?", fragt Clementine zurecht. "Why don't you improvise? You're such wonderful musicians" kommt es zurück, und Clementine, charmant-enerviert, fängt an, überzogen lange und schräg zusammengewürfelt aus Songfetzen zu improvisieren, gipfelnd in der dramatisch gesungenen Zeile: "So – if this is not improvising, then what is improvising." Benjamin Clementine vs. Zuschauer: 1:0.
Ein extrem tiefgehendes Nick-Drake-Cover – "River Man" vom 1969er-Album "Five Leaves Left" – folgt, und lässt die Zuschauer tiefbewegt zurück in die Berliner Winternacht hinaus. Von Benjamin Clementine, so viel ist klar, werden wir noch viel hören. Die Venues werden nicht kleiner werden.