Konzertbericht

Alkaline Trio


Wer in Hamburg wohnt und der alten Großmutter Punk huldigt, kann im Frühjahr 2010 eigentlich einfach in die Markthalle einziehen: Berichtete Kollege Barnard kürzlich erst von seinen Eindrücken während des letzten Auftritts der Drei-Akkord-Pioniere Pennywise, geben sich nur wenig später die kaum weniger namhaften Alkaline Trio die Ehre, die Pfandsammleroase unter den Locations der Hansestadt zu bespielen.

Der Unterschied jedoch: Während Pennywise Hamburg schon einige Zeit nicht mehr auf dem Tourplan stehen hatten und zudem Ex-Ignite-Frontmann Zoli Téglás frisch in die Band integriert hatten, gibt es ein knappes Jahr nach dem letzten Grünspan-Auftritt keine neuen Gesichter bei Alkaline Trio zu begaffen. Da auch der weitaus kleinere Kiezclub 2009 nicht ausverkauft war, ist die Markthalle eher spärlich besucht.

Dies scheint aber zumindest den Opener Three Chord Society aus Kiel nicht zu stören, deren Sound sowieso weniger zu Hallen mit Tausenderkapazitäten als zu Drei-Bands-für-Fünf-Euro-Nächte in Läden passt, die mit „JuZ“ abgekürzt werden – mit allen positiven und negativen Implikationen. Sprich: Quirlige Bühnenpräsenz und eingängige Funpunkmelodien auf der Habenseite, auf Dauer wenig Abwechslung und vergessenswerte Texte auf der Sollseite. Denjenigen, die sich bereits vor die Bühne verirrt haben, gefällt's trotzdem. Allen beiden!

Okay, Scherz beiseite – und spätestens, sobald Alkaline Trio mit „This Addiction“ einsteigen, fällt die geringe Besucherzahl sowieso kaum noch auf, weil die Anwesenden auf einmal viel mehr Platz zu benötigen scheinen. Punk und Pogo gehören eben nicht nur aufgrund ihres Anfangsbuchstabens zusammen, Wildfremde lassen sich ebenso gut in die Arme nehmen wie die besten Freunde und wer bei – früh ins Set eingestreuten – Songs wie „Armageddon“ oder „Emma“ ruhig stehen bleibt, hat wahrscheinlich sowieso 'nen kleinen Penis.

Das Alkaline Trio selbst tut natürlich auch ihr Übriges, um die Meute nicht zur Ruhe kommen zu lassen: Auch wenn, „We've Had Enough“, einer der Überhits vom Überalbum „Good Mourning“ heute ausgespart wird, zeugt es schon von einem qualitativ hochwertigen Oeuvre, Kracher wie „This Could Be Love“ oder „Mr. Chainsaw“ schon im ersten Viertel des Sets rauszuhauen. Nachdem darauf eher „heimliche“ Klassiker gespielt werden, hat's das Ende des Auftritts dann wieder ebenso in sich. Asse wie „Private Eye“ und „Stupid Kid“ verlieren eben auch nach Jahren nichts von ihrer Stichkraft. Als letzte Zugabe dann das unzerstörbare „Radio“. Der Fan geht befriedigt nach Hause – oder versteckt sich in den Katakomben, um auf die nächste Punkband in der Markthalle zu warten.

Photo: Pressefreigabe FKP Scorpio

Jan Martens