Konzertbericht

Against Me!


Gott sei Dank ist dieser Sommer so verregnet! Zwar mag die Open-Air-Saison darunter leiden, doch schaffen die regelmäßigen Sturzfluten von oben auch hin und wieder passable Ausgangsbedingungen für die wenigen Clubkonzerte, die parellel zu den Festivals stattfinden – wie beim Tourabschluss von Against Me! im Bremer Lagerhaus.

Wenn das bunte Vorabendleben im Bremer Viertel, dem wohl kulturell ansprechendsten Straßenblock der Hansestadt, nämlich einmal von einem urplötzlich eintretenden Wolkenbruch getrübt wird, sucht so mancher Unterschlupf in den nahegelegenen Clubs. So ist das Lagerhaus bereits ordentlich gefüllt, als Tim Vantol das Tor zu einer Parallelwelt öffnet, in der Chuck Ragan als Niederländer geboren wurde, und mit sympathischen Folksongs sowie munter zwischen Deutsch und Englisch switchenden Ansagen unterhält. Von The Dirty Nil, die das grelle, blau-weiße Hawaiihemd sowie die Kaugummiblasen von Frontmann Luke Bentham mittlerweile als Markenzeichen entdeckt zu haben scheinen, wird die Vorband-Messlatte dann noch mehrere Einheiten weiter nach oben geschoben. In ein bunt aus Stücken vom Debüt "Higher Power" sowie der Antiquitäten-Sammlung "Minimum R&B" gemischtes Set streuen die Kanadier bereits den einen oder anderen ebenso begeisternden neuen Song ein. Wie gut ist diese Band?!

Against Me! schaffen es dann, mit zwei Songs ("I Was A Teenage Anarchist" sowie "Pints Of Guinness Make You Strong") loszulegen, die bei fast jeder anderen Punkband wohl den heiß erwarteten Zugabenblock bilden würden, und trotzdem ihr Pulver noch lange nicht verschossen zu haben. Das tut das musikalische Aushängeschild Gainesvilles auch nicht, als in den nächsten 80 Minuten in gewohnt überdrehter Geschwindigkeit ein Hit nach dem anderen folgt – ohne Verschnaufpausen. Zumindest ohne große: Zwei-, dreimal lässt sich Laura Jane Grace dann doch zu einer kurzen Ansage hinreißen, meistens emphatische Dankesbekundungen.

Trotz der bandtypisch effektiven Zeit-Song-Ratio mag dann doch so gut wie jeder Besucher seinen ganz bestimmten Lieblingssong vermisst haben. So fehlt beispielsweise die Pro-Choice-Hymne "White Crosses" vom gleichnamigen Album aus 2009. Andererseits freut man sich dann doch darüber, wieder so etwas wie Sauerstoff atmen zu können, nachdem man aus den Ausdünstungen des feiernden Bremer Publikums wahrscheinlich mehrere Liter Essig hätte destillieren können. Wäre aber nach stundenlangem strahlenden Sonnenschein wahrscheinlich noch schlimmer gewesen. Sommerregen ist manchmal tatsächlich unterschätzt.

Jan Martens