Interview

Touché Amoré


Eine Band ohne Zuhause? Nach einer Solotour im Frühjahr und diversen Festivalauftritten sind Touché Amoré schon zum dritten Mal im Kalenderjahr bei uns zu Gast, diesmal im Vorprogramm von Converge. Shouter Jeremy Bolm – auf dem Bild der zweite von links – spricht mit uns über Tourerfahrungen und neue Songs, die zunehmend mit einem Erkennungsmerkmal der Band brechen.

Hallo Jeremy! 2012 war ein gutes Jahr für euch, oder?

Jeremy Bolm: Ja, wir hatten ordentlich was zu tun. Wir waren insgesamt ca. neun Monate auf Tour, was natürlich eine Menge ist und haben eine Menge Orte kennengelernt, an denen wir noch nie zuvor waren. Wir können uns nicht beschweren!

Eure Musik wird ja auch sehr von den Texten getragen. Habt ihr die Sprachbarriere jemals irgendwo als Problem bei der Rezeption eurer Musik erlebt?

Jeremy: Na klar, je weiter wir reisen, desto deutlicher tritt diese Barriere zutage. Oft habe ich es erlebt, dass Fans unsere Lieder Wort für Wort mitsingen, aber sich dann nach der Show nicht mit uns unterhalten konnten, was ich ziemlich interessant fand. Sie haben einfach die Texte auswendig gelernt, das ist natürlich auch irgendwie schmeichelhaft.

Glaubst du, dass die Nähe von Band und Publikum bei Hardcorekonzerten wichtiger ist als vielleicht bei anderen Genres?

Jeremy: Das würde ich schon sagen. Bei Hardcorekonzerten liegt ja auch eine sehr hohe Energie in der Luft, gerade wenn keine Barriere Band und Publikum trennt und zum Beispiel Stage Diving ist. Das fühlt sich einfach mehr nach Hardcore und Punk an als in einem riesigen Stadion Bier zu trinken und dabei eine Band anzuschauen. Gerade bei Converge ist es irre, diese Interaktion zwischen Band und Publikum zu beobachten.

Du sagtest, dass du eigentlich sehr introvertiert wärst und dein Inneres am ehesten in deinen Texten nach außen kehrst. Glaubst du, dass dich beispielsweise Freunde durch deine Texte besser kennenlernen konnten?

Jeremy: Nicht unbedingt. Ich habe viele Bekanntschaften, aber wenn es wirklich um Freunde geht, sind da schon ein paar, die mich wirklich gut genug kennen, um Sachen, die ich in Songs von mir sage, schon vorher vermutet zu haben. Ich glaube sowieso, dass man mich nicht gerade durch meine Songs kennenlernen sollte (lacht). Dann müsste ich wie ein komplett negativ eingestellter Mensch wirken. Jeder hat ja gute und schlechte Tage, aber es würde sich für mich nicht natürlich anfühlen, zu aggressiver Musik extreme Texte darüber zu schreiben, was ich für einen tollen Tag hatte. Songs sind eher ein Ventil für jede Art von Negativität.

Möchtest du dann nicht manchmal auch ein Ventil für positive Gefühle?

Jeremy: Wenn das einmal passieren sollte, passiert es, aber bisher bin ich so ganz zufrieden.

Hast du deine Kreativität schon einmal in andere Medien als Songtexte fließen lassen?

Jeremy: Im Laufe meines Lebens habe ich alles Mögliche gemacht, zum Beispiel auch Platten- und Konzertkritiken. Auch ein Tourtagebuch über unsere Südostasientour habe ich für eine Zeitschrift in LA verfasst. So etwas macht mir auch Spaß, aber ich schreibe oft auch nur, wenn ich muss. Das meiste fließt in die Band, wobei ich aber auch gerne mehr schreiben würde.

Wo landen denn deine Plattenrezensionen?

Jeremy: Oh, das ist schon eine Weile her. Nach meiner Highschoolzeit habe ich sechs Jahre in einem Plattenladen gearbeitet und für verschiedene Magazine geschrieben, weil ich hinter der Kasse viel Freizeit hatte. Die L.A. Weekly war auch dabei, und eine Zeitschrift namens "Scratch".

Euer Song "Condolences" wird oft zitiert, besonders folgende Zeile: If you fantasize about your funeral, I understand, I've been there before. If what's more important, is the music played. Than who'd attend, we are the same. Kannst du dir besondere Ereignisse im Leben vorstellen, wo Touché Amoré als Soundtrack passen würden?

Jeremy: Für eine Hochzeit wären wir bestimmt nicht angebracht, ebenso wenig für Beerdigung, also – da fällt mir nichts ein (lacht)! Interessante Frage, kommt wohl mehr auf die Person an.

Ich habe mir ein paar eurer neuen, noch unveröffentlichten Songs angehört – war es nicht ungewohnt, mit "Gravity Metaphorically" einen Song zu schreiben, der mit vier Minuten quasi dreimal so lang wie alle eure anderen Songs ist?

Jeremy: Das kam ganz natürlich. Es hatte auch nie einen Grund, dass die meisten unserer anderen Lieder so kurz waren, das ist auch einfach passiert. Als wir den Song dann aufgenommen haben, ist uns erst aufgefallen, wie lang er wirklich ist. Ich mag den Song auch wirklich gerne: Er zeigt wirklich gut, was wir als Band nach einer so langen gemeinsamen Zeit und so vielen Touren erschaffen können. Er ist wahrscheinlich auch ein Schritt in eine Richtung, in die wir weiter gehen werden. Auch viele der anderen Songs, die wir für unser kommendes Album – das wird wohl irgendwann 2013 erscheinen – geschrieben haben, sind zwischen 2:30 und 3:30 lang. Wir haben nun eine Menge kreativen Output und wollen mehr tun, wodurch automatisch auch die Songs länger werden. Auch "Whale Belly", das von der Struktur her komplexer ist, hat viel damit zu tun, dass wir nun sehr viel mehr Ideen haben, was wir als Band tun können.

Danke für das Interview!

Jan Martens

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