Interview

Pornophonique


Lagerfeuergitarre meets Game Boy. Oder besser: Helga meets Pornophonique. Zwischen Soundcheck und Auftritt im Frankfurter Bett standen uns Kai Richter und Felix Heuser Rede und Antwort, und das bei feinster Pizza.

Für die armen Seelen, die euch noch nicht kennen. Beschreibt euer Projekt mal in Stichworten.

Felix: Äh, Gitarre.

Kai: Lagerfeuergitarre und Gameboy. Lagerfeuergeschrammel und 8-bit-Gedudel und Space Invader Sample, die wir in Wirklichkeit gar nicht dabei haben. Haha. Das ist nur Werbesprache.

In den letzten Monaten gab es leider nicht viel Neues von Euch.

Kai: Nee, gab´s nicht, weil ich meine Magisterarbeit geschrieben habe. Vielleicht wissen einige wie das so ist, wenn man seine Magisterarbeit schreibt. Zumindest bei mir ist es so, dass es nicht klappt, mich darauf zu konzentrieren und nebenher noch irgendwelche Sachen zu machen. Deswegen war ich die ganze Zeit am Magisterarbeit schreiben und wir haben kein einziges Mal geprobt in den drei Monaten.

Felix: Haha.

Kai: Naja gut, so ganz stimmt das auch nicht. Wir hatten im Februar zwei Auftritte, in Köln und in der Schweiz, und haben vorher jeweils einmal geprobt. Das hat super geklappt, heute vor dem Auftritt haben wir sogar zwei Mal geprobt (beide lachen).

Wie habt ihr beiden euch eigentlich kennen gelernt?

Kai: Wir haben beide im Comicladen in Darmstadt gearbeitet. Die meisten Leute, die da rein- und rausgehen kaufen leider Gottes diese japanischen Mangas. Was Hölle ist... ich bin eher konservativ was die Comics angeht und mit Donald Duck groß geworden, auch während meiner kompletten Pubertät habe ich Donald Duck weitergelesen. Dann traf ich Felix und stellte fest, dass er auch Donald Duck mag. Wir kannten uns nicht richtig, so dass wir die ganze Zeit was miteinander gemacht hätten. Eigentlich kannten wir uns nur vom Sehen, man hat sich wie man es eben aus Höflichkeit macht gegrüßt (grinst). Ich wusste dass er Musik macht, elektronisches Zeug, und ich wusste, dass ich Gitarre spiele (grinst). Irgendwann hat er mir im Laden über Kopfhörer was auf seinem Game Boy vorgespielt, und ich fand´s ganz nett.

Felix: Hätte ich damals gewusst, dass der auf Metal steht, hätte ich ihm nie was zu hören gegeben.

Kai: Ich hatte damals ein Projekt mit ein paar anderen Leuten. Einmal die Woche haben wir im Proberaum willenlos drauf losmusiziert. Da habe ich Felix auch mal mitgeschleppt, damit er mit seinem Game Boy mitspielt. Er schließt seinen Game Boy an und fetzt einfach nahtlos alles an die Wand. Mit Schlagzeuger und vielen anderen hat das alles überhaupt nicht funktioniert.

Felix: Das war großartig! Irgendwann haben alle nacheinander aufgehört zu spielen, bis ich ganz alleine war.

Das heißt, du hast schon lange vorher Musik mit dem Game Boy gemacht?

Felix: Mit dem Game Boy so ein halbes Jahr vorher, aber generell mit elektronischer Musik hab ich schon damals mit 12 angefangen. Irgendwann kam dann der Game Boy dazu, das war auch das erste Gerät, das ich auch tragen konnte.

Wie kommt man denn darauf, Musik mit dem Game Boy zu machen?

Felix: Ich hab irgendwo mal gelesen, dass irgendwer Musik mit dem Game Boy macht, und hab solange gebohrt, bis ich rausgefunden habe, womit er Musik macht. Little Sound Dj, großartiger Name, großartiges Programm. Ich habe mir dann dieses Programm besorgt und angefangen, damit Musik zu machen, und so kam eins zum anderen.

Kai: Er hat mal versucht mir zu erklären, wie das Programm funktioniert. Ich hab´s überhaupt nicht gerafft. Ich hab auch überhaupt keinen Zugange zu elektronischen Instrumenten, aber dieses Game Boy Programm ist wirklich kompliziert. Wie lange hast du gebraucht, um da überhaupt einen Ton rauszubekommen, Felix?

Felix: Eine halbe Woche (beide lachen). Ich baue praktisch Sequenzen, die ich dann abrufe. Wenn ich live spiele, hab ich den Display voll mit Zahlen. Jede Zahl steht für eine dieser Sequenzen.

Das heißt du schaust die ganze Zeit auf deinen Display, und vor dir geht die Menge ab...

Felix: Ja, das ist ein bisschen traurig.

Wie ist es für dich, das Publikum nicht zu sehen?

Felix: Ganz entspannend, weil du musst dich sowieso konzentrieren.

Kai: Als wir angefangen haben, Musik zu machen, hatte Felix ja auch noch lange Haare. Das war immer lustig, um seine Angst vorm Publikum zu verbergen (fängt an zu grinsen) hat er immer die Haare direkt vorm Gesicht gehabt. Er hat sich nicht bewegt, sondern nur wie ein Fels in der Brandung dagesessen und Game Boy gespielt.

Felix: Wie in meiner Kindheit (beide lachen).

Ich habe von einer Geschichte vom Sad Robot gehört. Erzählt sie doch noch mal, die war so schön.

Kai: Also bei "Sad Robot" ist es ja so, dass eine Maschine beschrieben wird, der menschliche Gefühle zugeschrieben werden, und in dem selben "Zyklus" möchte ich mal so sagen, entstand "I Wanna Be A Machine". Da ist es genau umgekehrt, dass sich ein Mensch quasi wünscht, so zu sein wie eine Maschine zu funktionieren, also keine Emotionen zu haben. War das das, was du hören wolltest? (lacht)

Ja (alle lachen). Ihr spielt ja hauptsächlich in der Darmstädter Gegend, wo sich mittlerweile schon ein regelrechter Fankreis aufgebaut hat. Wie ist die Reaktion, wenn ihr mal außerhalb der Region spielt, wo die Leute euch noch nicht so kennen?

Kai: Das ist ganz unterschiedlich und kommt darauf an, wo wir spielen. Es ist auch völlig unterschiedlich, wie der Abend verläuft. Wir hatten Auftritte, da war das Publikum total ätzend, in Berlin zum Beispiel.

Inwiefern?

Kai: Das Publikum interessiert sich einen Scheiß dafür, was du gerade machst. Die gucken sich das an und finden es nicht lustig, nicht komisch und haben keine Lust, ein bisschen mitzutanzen. Aber es gibt natürlich auch das umgekehrte Ding. Du stehst da vor Leuten, die du vorher noch nie gesehen hast, aber die Leute gehen richtig ab und der Abend wird eine riesengroße Party.

Wenn man googlet, taucht euer Name in der ein oder anderen "Musikliste" von Leuten aus den verschiedensten Ländern auf. Gibt es Reaktionen aus dem Ausland?

Felix: Ab und zu kam mal was aus Amerika. Durch das weltweite Internet und diese ganzen Communityseiten wird dein Name ja recht schnell weitergegeben, sobald ihn jemand hat.

Also MySpace zum Beispiel.

Kai: Wenn du www.myspace.com/pornophonique eingibst, kommt so eine 18jährige Schwedin. Keine Ahnung, wir haben nichts mit ihr zu tun. Wir haben keine MySpace Seite, jetzt ja sowieso nicht mehr, ausser wir kaufen der Schwedin den Namen durch Liebesdienste ab (lacht).

Felix: Das sollte kein Problem sein (lacht).

Eure Platten habt ihr ja alle selbst gemacht...

Felix: Jede davon war schon mal in unserer Hand.

Kai: Anfangs hatten wir eine kleine Auflage von 100 Stück. Jedes Teil selbst gebrannt.

Felix: Das war in einem Büro von solchen Hippies, mit einfacher Brenngeschwindigkeit, großartiger Abend (grinst).

Eure bisher veröffentlichten Platten waren ja echte Schmuckstücke. Die Cd im Vinyl-Look in Metallcase oder die durchsichtigen Schallplatten. Erwartet uns auch für eurer neues Album etwas Besonderes?

Kai: Höchstwahrscheinlich schon. Wir haben auf keinen Fall Lust auf eine 0815 Plastikverpackung, wie das alle Anderen machen.

Felix: Eigentlich denken wir ja, dass dieser CD Verkauf gar nicht mehr wirklich funktioniert. Musik als solches kann man sich bei uns im Internet immer runterladen, auch, wenn das Album rauskommt, werden wir es ins Internet stellen. Wenn jemand ein Album nicht kaufen will, dann kauft er es nicht. Wenn er es aber kaufen will, soll er belohnt werden, eben mit einer geilen Verpackung.

Kai: Jetzt kommt es, so wie es aussieht, noch in Selbstvertrieb raus. Das heißt, es steht kein Label dazwischen. Natürlich werden wir wieder eine tolle Schnickschnack-Verpackung machen, wir haben da auch schon ein paar Ideen. Das ist natürlich etwas aufwändiger, was den Preis etwas hochtreibt. Aber dadurch, dass es keine weiteren Zwischenverdiener gibt, können wir das alles noch zu einem fairen Preis anbieten. Wenn du halt die neue Britney Spears für 17,99 kriegst, und die neue Pornophonique, ich sag jetzt mal für 15 Euro, kriegst du bei uns so ein Blechschachtelding, was total abgeht, bei Britney nur so ein Ding in Milliardenauflage. Da findet man die 15 Euro schon fairer angelegt.

Vor allem ist das dann wirklich etwas Besonderes und sticht aus der Plattensammlung heraus.

Kai: Eben.

Habt ihr denn schon eine Ahnung, wann das Album in etwa rauskommen wird?

Kai: Wenn mir meine Magisterprüfung keinen Strich durch die Rechnung macht, haben wir mal Mitte Juli für´s Studio angesetzt. Wir werden eine Woche nach Düsseldorf fahren du dort aufnehmen. Abmischen dauert ja auch seine Zeit, also ich glaube vor Herbst geht da nix...

Wie sieht es zukunftsmäßig aus?

Kai: Wir haben schon ein paar Anfragen von Plattenfirmen bekommen. Veranstalter sind auf uns zugekommen, die auch Labels am Start haben. Eins war uns komplett gruselig. So Dj Bobo Remix Spaßmusik, absoluter Sch... Ich stell mir auch einfach die Frage, ob man heutzutage, so wie das alles mit dem Internet funktioniert, überhaupt noch ein Label braucht, denn du hast selbst gesehen, dass unsere Musik schon weltweit Verbreitung gefunden hat. Wenn so eine kleine Szene dich für sich entdeckt hat... dir kann nichts Besseres passieren, weil die haben auch Freunde in der "normalen" Welt, sag ich mal, und tauschen die Musik auch aus. Und dafür, dass es uns erst seit zweieinhalb Jahren gibt, ist die Resonanz schon sehr gut.

Stefanie Graze

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