Interview

Mono


Der Turmbau zu Babel und seine Folgen: Falsch eingesetzte Vokabeln führen im Gespräch zwischen uns und Takaahira "Taka" Goto, dem Gitarristen der japanischen Instrumentalvirtuosen Mono, hin und wieder zu Missverständnissen - dennoch liefert er interessantes Hintergrundwissen zu Entstehung und Einflüssen des aktuellen Albums "Hymn To The Immortal Wind" und Monos Selbstverständnis als Band.

Ich würde gerne mit dir über euer aktuelles Album "Hymn To The Immortal Wind" sprechen. Kannst du mir sagen, was euch dort inspiriert hat?

Taka: Unsere erste Idee war, dass es wie "New Music" klingen sollte. Ich wollte, dass es symphonischer, epischer und emotionaler klingt - und nach mehr Rock und Noise (lacht). Es fing mehr oder weniger mit einer jungen Drehbuchautorin an, die ich in L.A. getroffen habe. Sie schickte mir eine Kurzgeschichte, ein Skript für einen Film, die mich sehr beeindruckt hat. Daraufhin habe ich angefangen, Songs wie die 9. Symphonie von Beethoven zu schreiben, was schon seit langer Zeit eine Idee von mir war. Ich wollte auch gerne einen riesigen Chor, mit Texten, die sie dann hätte schreiben sollen, so einen Song konnte ich dann letztendlich aber doch nicht schreiben. Später habe ich ihr dann aber ein paar Demos, geschickt, zu denen sie ein paar Kapitel ihrer Geschichten geschrieben hat, zu denen ich dann wiederum Songs geschrieben habe.

Es ist lustig, dass du hier ein Drehbuch für einen Film erwähnst, denn ein paar meiner Freunde, die sich "Hymn To The Immortal Wind" angehört haben, fühlten sich sehr an Filmsoundtracks erinnert, und auch ich musste insbesondere bei "Ashes In The Snow" an Soundtracks denken, die Künstler wie Mogwai oder Clint für Filme wie "The Fountain" oder "Requiem For A Dream" geschrieben haben. Könntest du dir vorstellen, einmal wirklich den konkreten Soundtrack zu einem Film zu schreiben?

Taka: Weißt du, es gibt so viele instrumentale Bands, die solche Musik schreiben, und da möchte ich mich etwas abgrenzen. Sehr viele loopen beispielsweise andauernd Arpeggios (gebrochene Akkorde, bei denen die einzelnen Töne nicht gleichzeitig, sondern kurz nacheinander erklingen, Anm. des Autors), und das langweilt mich irgendwie. Ich wollte nicht nur so "herkömmliche" Instrumentalmusik schreiben, sondern für sich auf der gleichen Ebene wie ein Film oder ein Buch etwas ausdrücken.

Dann müsste eure Musik ja auch als Filmsoundtrack funktionieren.

Taka: Ja, das hoffen wir.

Was für eine Art von Film müsste das denn sein?

Taka: Das ist schwierig. Bitte kein Splatter-Horror-Film (lacht). Irgendetwas, wo es wirklich um Menschen geht, etwas Dramatisches. Kein Horror, bitte!

Da du gerade schon das Thema Instrumentalmusik und Emotionen angeschnitten hast: Glaubst du, dass solche Musik emotionaler als Musik mit textlichen Inhalten ist, da man eigene Gedanken und Gefühle besser auf sie projizieren kann?

Taka: Das kommt auf die Musik und die Band an. Wir sehen unsere Musik nun als klassische Musik und versuchen, auf der selben Ebene zu sein. Das ist wahre instrumentale Musik für uns, nicht Postrock. Wir haben auch fast komplett aufgehört, Rockmusik zu hören, die langweilt mich irgendwie. Postrock sollte progressiver sein. Es läuft immer viel nach dem gleichen Schema ab, und das versuchen wir zu vermeiden.

Bleiben wir noch einmal beim Thema Instrumentalmusik: Glaubst du, dass ein Mono-Song jemals mit Gesang funktionieren könnte?

Taka: Nein. Nur hätte ich, wie ich schon gesagt habe, gerne einmal einen Chor integriert, wie in einer Kirche. (Zu diesem Zeitpunkt wurde auch endlich eine Sprachbarriere eingerissen, die den Autoren zu Beginn des Interviews bereits verwirrt hatte: Dort hatte Taka anscheinend die Vokabeln "Choir" (=Chor) und "Chorus" (=Refrain) vertauscht, was natürlich zu sofortiger Verwunderung beitrug: Mono mit Refrain? Der Hinweis auf die Kirche führte dann zu einer Aufklärung des Missverständnisses, das auch Taka sichtlich amüsierte. Anm. des Autors)

Würdet ihr euch als detailverliebte Perfektionisten bezeichnen? Wenn ich das Album höre, fallen mir soviele kleine Details auf, bis hin zum Knarzen der Stühle des Orchesters.

Taka: Das kam eigentlich alles ganz natürlich. Bereits auf unserem ersten Album haben wir ein Cello verwendet, und daraus ist dann irgendwann ein ganzes Orchester geworden. Im Mai spielen wir unsere 10-Jahre-Jubiläumsshow in New York und haben da sogar das Orchester dabei, aber klar, das geht nur selten. So klingt es auch immer mehr nach einem Soundtrack und nach klassischer Musik. Klassische Musik ist auch so voller Emotionen, mehr als Postrock. Klassische Musik ist spiritueller, Filmmusik dramatischer, Rockmusik dafür eher verrückt und kraftvoll. Das wollte ich kombinieren.

Wie wichtig ist es denn, instrumentalen Songs Songtitel zu geben? Klar, ein Song mit Texten braucht einen Titel, aber schränkt das in einem Song, der ja eigentlich, wie schon erwähnt, sehr viel offener für eigene Interpretationen ist und sein soll, irgendwie auch die "Kreativität" des Hörers ein?

Taka: Naja, wir haben ja auch eine Vision mit einer Geschichte und einem Konzept, zu der auch Titel gehören, da sie Zugang zu dieser Vision geben.

Da du gerade Konzepte erwähnst: Als ich mir das Album angehört und das Cover angesehen habe, kam mir das Thema "Natur" in den Kopf. Natürlich wegen des Albumtitels "Hymn To The Immortal Wind" und auch wegen Songtiteln wie "Burial At Sea" musste ich sehr an die Kraft der Natur und das Verhältnis des Menschen zur Natur denken.

Taka: Ja. Es geht auch um Dinge, die wir nicht sehen können, aber die trotzdem da sind, wie eine universelle Macht. Ich möchte nichts über Gott erzählen, darüber haben sich schon genügend Leute beschwert. Es gibt eine Menge Wunder und sehr viel Traumhaftes in dieser Welt, was wir thematisieren wollten.

Ja, ich musste beispielsweise aufgrund des Songtitels "Battle For Heaven" und des Musikvideos für "Follow The Map" auch an das Thema Sehnsucht und der Suche nach eigentlich Unerreichbarem denken.

Taka: Definitiv. In unserem letzten Album "You Are There" ging es beispielsweise mehr um das Dunkle, den Tod und das darüber hinaus, worüber wir auch oft nachdenken und schreiben. Dieses Mal wollten wir aber mehr das "Feeling of the Earth" behandeln und nicht so negativ bleiben.

Was ich mich schließlich noch zu eurer Liveperformance gefragt habe: Auf Konzerten von Bands wie Mono, von klassischen oder auch von Postrockbands tendiere ich dazu, hypnotisiert, beinahe in Trance zu sein. Geht es euch als Musikern da auch so? Inwiefern nehmt ihr bei euren Auftritten das Publikum vor euch wahr?

Taka: Die Leute, die da sind, machen uns tatsächlich wirklich glücklich. Weißt du, ich glaube, dass ich keine Songs schreiben könnte, wenn wir nicht soviel touren würden. Immer wenn ich Songs schreibe, stelle ich mir die Gesichter im Publikum vor - ich schaue beim Spielen zwar meistens auf den Boden, sehe aber die Menschen vor mir, die still dastehen, beinahe, als ob sie beten würden. Sie schauen nirgendwohin und haben immer die Augen geschlossen. Das macht mich sehr glücklich, da Rockmusik zum Beispiel immer nur zum Tanzen und Party machen geeignet ist.

Dann hoffe ich, dass das Konzert gleich dich ebenso glücklich macht! Ich freue mich darauf und danke für das Interview!

Jan Martens

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