Interview

Low


Seit über zwanzig Jahren spielt zusammen, immer noch neue Aspekte ihres ganz eigenen Sounds findend, die Band mit dem wohl passendsten Namen von allen: Low. Eine große Freude ist es uns, dass wir im Rahmen ihres Konzertes in Barcelona mit dem Ehepaar Mimi Parker und Alan Sparhawk sprechen konnten. Die beiden machten nach langer Fahrt aus Frankreich einen müden, aber sympathischen Eindruck. Gerade Alan Sparhawk bot einige Einblicke in seine Gedankenwelt, die ausführlichen Antworten eher laut denkend als kompakt die Fragen abhakend.

Danke, dass ihr euch vor dem Auftritt noch die Zeit nehmt. Wie verbringt ihr die Zeit vor einem Gig normalerweise?

Alan Sparhawk: Normalerweise ist eine Menge zu tun. Wir haben nicht viel Zeit, die Bühne vorzubereiten, wir haben einen Projektor, der die Show visuell untermalt, was nochmal extra Arbeit ist. Manchmal haben wir ein paar Stunden, nachdem alles fertig ist, bis zum Anfang des Konzertes, manchmal haben wir gar keine Zeit. Heute zum Beispiel sind wir sechs oder sieben Stunden gefahren.

Wo kommt ihr heute her?

Mimi Parker: Irgendwo in Frankreich, irgendeine Kleinstadt, ich kann mich nichtmal mehr an den Namen erinnern.

Alan: Vorgestern haben wir in Bologna gespielt, also lag Südfrankreich auf dem Weg.

Hattet ihr bislang eine gute Tour?

Mimi: Ja, definitiv.

Alan: Ja. Das ist unsere vierte Woche, normalerweise gehen wir nur drei Wochen auf Tour. Also ist es etwas lang diesmal.

Fühlt ihr euch nicht erschöpft oder ist es noch im Rahmen?

Alan: Wir sind ein wenig müde. Es ist mehr eine Sache der Introspektive: Wenn du weit weg von zu Hause so dauerhaft unterwegs bist, ändern sich deine Denkstrukturen und die Art, in der du die Welt betrachtest, wahrnimmst, was vor sich geht. Manchmal kann dich das überrumpeln und erschöpfen, du musst also dein Inneres im Auge behalten und dich beruhigen. Sonst gerätst du in einen Tunnel, und man weiß nie, was am anderen Ende wartet.

Schaut ihr euch denn auf Tour auch die Städte an, die euch interessieren? Barcelona zum Beispiel?

Mimi: Ein wenig, nicht allzuviel. Gestern hatten wir zum Beispiel frei, mussten aber ewig fahren. Dafür geht eine Menge Zeit drauf.

Alan: Wir schauen uns nur ganz selten Touristenkram an. Die meiste Zeit kommen wir an einem Ort an und treffen dort Leute, die unsere Generation sind, Musik lieben. Leute von der Local-Crew, die sich freuen, dass wir da sind. Sie wollen uns zeigen, wo ein gutes Restaurant ist, wo der beste Ausblick ist, ihre Stadt. Die Welt so kennenzulernen, das mag ich sehr. Du erlebst Reisen und lernst über die Welt durch die Augen der Menschen, was für sie jeweils am wichtigsten ist.

Was eine wunderbare Art ist, die Welt kennenzulernen.

Alan: Auf jeden Fall. Du lernst eine Menge nur durch Gespräche mit Menschen.

Normalerweise, wenn ihr in Barcelona spielt, spielt ihr beim Primavera Sound Festival. Ist das etwas Besonderes für euch?

Alan: Ja, auf jeden Fall. Primavera Sound, Spanien allgemein, war wohl der erste Ort, wo die Leute uns auf einem Festival haben wollten. Vorher dachten die Leute, wir seien viel zu leise. Und wir dachten das auch. Wir haben uns gefragt, ob es eine gute Idee sei, auf einem Open-Air-Festival zu spielen. Eigentlich mögen wir keine Festivals. Aber Primavera Sound hat uns eingeladen, wir haben zugesagt, und das Konzert war eine großartige Erfahrung. Somit war das für uns die bestmögliche erste Festivalerfahrung. Wir haben viele gute Erinnerungen an das Festival, einige Male haben wir dort im Theater gespielt, was etwas Einzigartiges für Primavera Sound ist. Sowas wirst du bei keinem anderen Festival finden.

Das stimmt.

Alan: Aber Open Air macht auch eine Menge Spaß dort. Es ist eine Erfahrung für sich, umgeben von all den vielen Menschen im weiten Raum.

Das habe ich mich auch gefragt, ob es, da ihr normalerweise kaum Festivals spielt, eine unterschiedliche Erfahrung ist, wenn eure ruhige Musik in den weiten Raum entweichen kann.

Alan: Ein wenig. Draußen ist man nie so sicher wegen dem Sound, manchmal geht einiges verloren. Aber manchmal, wenn du am richtigen Ort bist, fühlt es sich an, als würde die Luft stillstehen, und du bist Teil der selben Luft wie alle anderen dort. Du hängst mehr davon ab, was da draußen vor sich geht, die Gesichter der Leute, an denen du merkst, wie das Konzert wirkt. Denn von dort, wo du auf der Bühne stehst, hast du keinen vollen Eindruck, nur deine Monitore. Nicht wie in einem Theater, wo du die Musik im Raum wahrnimmst, und merkst, wie sie wirkt.

Eure Shows sind sehr intensiv, langsam und minimalistisch sind. Tut ihr etwas, um euch vorzubereiten und in die richtige Stimmung zu kommen.

Alan: Für mich ist das ganz natürlich so.

Mimi: Ich denke, wir sehen das gar nicht so, wir müssen nicht darauf hinarbeiten. Wir gehen einfach raus und spielen unsere Songs. Es passiert einfach.

Alan: Die Songs machen das. Wir müssen uns nicht emotional vorbereiten, die Songs sind unsere, und wir sind auch da, und damit sind auch die Emotionen des Songs da. Darauf müssen wir uns nicht vorbereiten. Wir vertrauen uns einfach und lassen es passieren. Wenn du versuchst, so etwas zu kontrollieren, bekommst du normalerweise Probleme.

Lasst uns ein wenig über eure Musik sprechen. Ich verfolge euch schon seit längerem und frage mich, wie ihr es schafft, in dem minimalistischen Raum, in dem ihr euch musikalisch bewegt, immer wieder neue Aspekte zu finden, euch immer weiterzuentwickeln. Wie funktioniert der kreative Prozess bei euch - passiert es einfach, oder macht ihr euch konkret Gedanken, wie es weitergeht?

Alan: Nun... ich denke, normalerweise sagen wir uns: Jetzt ist es Zeit, wieder Songs zu schreiben. Es ist nicht so, dass uns ständig Ideen zufliegen, wir müssen uns dazu wirklich zwingen und ein paar Monate lang jeden Tag hinsetzen, Gitarre spielen, Ideen ausarbeiten. Das ist niemals beabsichtigt, nach dem Motto: "Okay, lass uns über dies und das schreiben." Wir schreiben Songs und schauen dann, was wir haben, was die Songs von uns wollen. Manchmal ist das ganz offen, manchmal hast du schon ganz konkrete Ideen, wie etwas aussehen soll. Es gibt eine Menge Faktoren: Die Art, wie wir zur Zeit spielen, mit wem wir arbeiten, wo wir aufnehmen. Keine Ahnung, ob das deine Frage jetzt beantwortet.

Ja, ich glaube schon.

Mimi: Und noch einige mehr. (allgemeines Gelächter)

Für das letzte Album habt ihr mit Jeff Tweedy gearbeitet, was nach einer ziemlich gelungenen Wahl aussieht. Wie kam es dazu?

Alan: Also, wir haben vor ein paar Jahren schon Shows mit Wilco gespielt, wir sind schon lange mit Nels Cline (Wilco-Gitarrist, Anm. d. Red.) befreundet, schon bevor er in der Band war. Dann hat Jeff uns in ihr Studio eingeladen, erstmal relativ vage. Er bot uns an, dort vielleicht aufzunehmen. Als wir auf Tour durch Chicago kamen, schauten wir vorbei, und es erschien uns als guter Ort, um unsere neue Platte zu machen. Also fragten wir ihn, und da er sofort "ja" sagte, mussten wir nur noch einen Zeitpunkt finden. Es war sehr einfach mit Jeff. Wir machen das jetzt schon lange Zeit, so viele Platten, für uns ist es wichtig, verschiedene Dinge, neue Dinge auszuprobieren. Es war also gar nicht so, dass wir uns dachten: "Wow, das ist das perfekte Ding mit Jeff Tweedy", es war eher: "Das könnte interessant sein, lasst es uns machen".

War es denn mehr so, dass ihr schon Ideen für neue Songs hattet und dachtet, die könnte man super mit Jeff Tweedy ausarbeiten, oder war es mehr so, dass es gemeinsam mit ihm zu diesen Songs kam?

Mimi: Also, wir hatten die Songs schon zusammen. Ehrlicherweise war es am ehesten eine Sache des Zeitplans: Wir hatten die Songs, Jeff hatte Zeit.

Alan: Also dachten wir, wow, jetzt sollten wir vielleicht aufnehmen. Dann kamen wir in Chicago vorbei und alles passte.

Mimi: Wir planen nie so weit voraus, wir sind nicht so organisiert. Wir waren schon vorbereitet, wir hatten unsere Songs, aber wir waren nicht sicher, was passieren würde und mit wem. Und das macht es spannend.

Einfach schauen, was sich im Studio noch ergibt.

Alan: Ja, wir lieben Überraschungen. Als wir das Studio das erste Mal besucht haben, haben sie gerade an Aufnahmen für Mavis Staples gearbeitet, wir hörten sie uns an und waren beeindruckt. Es klang sehr gut, minimalistisch, aber richtig gut.

Und sie haben diesen großen Loft voller Instrumente, ich habe Fotos gesehen.

Alan: Ja, ein riesiger Haufen Instrumente. Ein Paradies für Musiker. Es ist wirklich großartig. Ein guter Ort, beste Voraussetzungen für gute Arbeit.

Gibt es andere Musiker, mit denen ihr gerne mal arbeiten würdet?

Alan: (überlegt) Nein.

Nun, wenn ihr euch einen aussuchen könntet, wer wäre es? Eine sehr klassische Frage, aber auch, weil sie sehr interessant ist.

Mimi: Klar. Wir denken auch oft darüber nach. Es gibt eine Menge interessante Musiker da draußen.

Alan: Manchmal ist es auch einfach eine weirde Idee.

Mimi: Und manche Leute wollen einen Haufen Geld. Das verhindert es im Zweifelsfall. (allgemeines Gelächter)

Alan: Ich fände es zum Beispiel interessant, eine Platte mit Sly and Robbie zu machen, den Reggae-Produzenten. Einfach, weil es so gegensätzlich ist, das könnte interessant sein.

Mimi: Ich habe keine so konkrete Idee. Ich mache einfach mein Ding und halte die Ohren offen und wenn das Richtige auf uns zukommt, dann bin ich dabei.

Alan: Ich würde wirklich gerne einmal mit Kieran Hebden von Four Tet arbeiten.

Gute Idee. Ich bin ein großer Four-Tet-Fan.

Alan: Au ja. Ich mag seine Musik sehr. Wir haben Shows mit Fridge gespielt, seiner alten Band. Lange her, aber sie haben damals für uns den Support gegeben. Ich erinnere mich an eine Show in Baltimore in einer großen Bücherei.

Mimi: Da kann ich mich gar nicht dran erinnern. Ich erinnere mich an das Konzert, aber nicht daran, wer den Abend eröffnet hat.

Alan: Die drei Briten, Kieran ist der große mit dem Afro. Er ist Four Tet, wirklich sehr gut.

Mimi: Okay.

Er spielt auch auf dem Primavera Sound dieses Wochenende.

Alan: Oh, cool. Wirst du ihn interviewen?

Nein. Beim Primavera spielt immer ein riesiger Haufen Bands, von denen man fast jede sehen will. Da bleibt leider keine Zeit mehr für Interviews.

Mimi: Stimmt, verständlich. (allgemeines Gelächter)

Alles klar, vielen Dank für die Zeit und eine gute Show heute Abend!

Alan: Danke auch dir.

Daniel Waldhuber

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