Interview

Kante


Kante machen überraschend viel Promoarbeit zum neuen Album "Die Tiere Sind Unruhig" beim Haldern Festival. Gerade vom Meet & Greet beim Green Hell Stand zurück, schon bei uns vorm Mikrofon. Es gibt aber auch eine Menge Fragen zu beantworten! Sänger Peter Thiessen und Drummer Sebastian Vogel nahmen sich der Sache an.

Euer Sound hat sich im Vergleich zu den anderen Alben wieder einmal verändert. Nehmt ihr euch das im Vorneherein vor, oder wie geht ihr an die Aufnahmen ran?

Peter Thiessen: Wir haben eigentlich nur Bock etwas zu machen, was wir so noch nicht gemacht haben. Bei der Platte war es jetzt so, dass wir einen erwachseneren Sound haben wollten. Dass praktisch die Energie, die im Proberaum frei wird, besser zu hören ist. Deshalb haben wir auch das meiste Zeug diesmal live eingespielt. Das ist einfach was anderes, als wenn man stundenlang am Mischpult sitzt und die einzelnen Teile wie bei einem riesigen Puzzle aneinander kleben muss. Bei sowas geht schon unheimlich viel Spannung verloren.

Ihr habt auch diesmal den Produzenten gewechselt. Moses Schneider hat übernommen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Peter: Den haben wir kennengelernt bei der "Zombi" Produktion. Da war er als Toningenieur dabei, weswegen wir wussten, wie er arbeitet. Das war genau das, was wir wollten. Er arbeitet sehr schnell, einfach dadurch, dass er die Band, so wie sie im Proberaum steht einfach ins Studio reinstellt und aufnehmen lässt. Er ist auch so ein Mensch, der extrem darauf achtet irgendeinen besonderen Moment einzufangen. Da hat er ein spezielles Ohr für, was man bei der Platte denke ich auch hören kann.

Also würdet ihr sagen, dass Moses Schneider mit dafür verantwortlich war für euren erdigeren, druckvolleren Sound auf dem neuen Album?

Sebastian Vogel: Er hat uns auf jeden Fall in dem Vorhaben total unterstützt. Wir wollten so klingen und Moses war einfach der perfekte Mann dafür, der das Album wirklich so einfangen konnte und alles aus uns rausgekitzelt hat im Endeffekt. Als wir am Anfang zum Beispiel ein wenig gezögert hatten, ob wir nicht doch ein weiteres, ruhigeres Album machen sollen, da hat er gesagt, dass wir unbedingt unsere Ideen umsetzen und nicht vor neuen Dingen zurückschrecken sollen. Er hat uns auch ausgeredet die ganzen Spielereien wie Overdubs, zwei Schlagzeuge usw., die wir ja vorher so verwendet haben, wieder mit aufs Album zu machen.

Viele Bands sagen ja immer, dass sie während der Albumaufnahmen die und die Band gehört haben und sich das dann auf die Aufnahmen ausgewirkt hat. Würdet ihr dem zustimmen?

Peter: Ja, auf jeden Fall! Wir haben beim Hören anderer Bands immer die Frage im Hinterkopf, was wir vielleicht selbst auf unserer nächsten Platte anders machen und ob Elemente von dieser oder dieser Band inspirierend oder verwendbar sein können. Bei der "Zombi" Produktion habe ich zum Beispiel viel südamerikanisches oder auch afrikanisches Zeug gehört, was man da auch ganz gut raushören kann denke ich mal. Und bei der neuen Platte ganz klar die Queens Of The Stone Age zuallererst einmal. Bei der Band denkt man ja im ersten Moment immer, das wäre straighte Rockmusik, aber wenn man sich mal genauer damit beschäftigt, merkt man erst wie vielschichtig und kompliziert das eigentlich ist.

Ist eure neue Single "Ich Habs Gesehen" eine Fortsetzung des "Zombi" Stückes "Ich Kann Die Hand Vor Meinen Augen Nicht Mehr Sehen"? Beide Songs thematisieren ja in gewisser Hinsicht Elemente der Dunkelheit und auch des Todes.

Peter: Das ist eine gute Frage... (überlegt) Wenn du so willst, kannst du beide Songs schon in direktem Zusammenhang zueinander sehen. Beabsichtigt war das allerdings nicht, muss ich gestehen. Letztendlich beschreiben die Texte, die ich schreibe, hauptsächlich Empfindungen von mir selbst. Das ist wie Bilder malen. Manche Bilder ähneln sich in gewisser Weise und man kann Bezüge zwischen ihnen herstellen. So kannst du das auch zwischen den beiden angesprochenen Songs machen.

Lass uns über deine Texte mal genauer reden. Wenn ich eure Musik höre, stell ich mir zu ihr und besonders zu den Texten immer zahlreiche Bilder vor. Das ist bei euch sehr extrem, diese bildhafte Musik. Wie ist das, wenn du Texte schreibst? Hast du da auch irgendwelche Bilder im Kopf?

Peter: Das ist bei mir ganz schwer zu erklären. Ich fang da meistens irgendwo an. Bei irgendwelchen Worten oder Satzteilen, die mir gerade so in den Sinn kommen. Da ist mir im ersten Moment gar nicht so bewusst, dass daraus irgendwelche Bilder entstehen könnten. Genauso wichtig wie der Inhalt der Texte ist ja auch letztendlich das Klangbild zu dem Song. Erst wenn meine Texte mit der Musik verschmelzen entsteht auch bei mir sowas wie ein Film oder wie einzelne Bilder. Das ist dann etwas, was ein eigenes Leben entwickelt und über das hinaus geht, was man selbst geschrieben hat, glaube ich.

Brauchst du zuerst die Musik, um dazu was passendes zu schreiben?

Peter: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal haben wir schon ein komplettes Stück fertig, zu dem dann nur noch der Text fehlt. Häufiger hab ich aber Textfragmente rumliegen und schau dann, wie ich das mit verschiedenen Musikteilen kombinieren kann. Das ist eigentlich das Spannendste an den ganzen Aufnahmen. Denn wenn du beispielsweise einen ganz anderen Text zu einer Melodie hinzufügst, dann hast du praktisch gleich einen ganz neuen Song.

Wie kamt ihr denn auf die Idee zu dem Albumtitel "Die Tiere Sind Unruhig"?

Peter: Die Bezeichnung ist mir mal aufgefallen beim Kölner Schriftsteller Wolf Dieter Brinkmann. Der Sebastian hat das auch irgendwo gelesen und so blieb das dann bei uns beiden im Kopf hängen. Es geht da ja weniger um Tiere an sich, sondern um eine konkrete Stimmung, die sehr schwer zu beschreiben ist. So eine Art Spannung, die in der Luft liegt, wo man die Ursache nicht kennt und gerade deshalb supernervös und angespannt ist.

Das Artwork wurde wieder von der selben Künstlerin gestaltet?

Peter: Ja genau. Das hat wieder Ruth May gemacht, die mittlerweile auch meine Ehefrau ist. Das ist ein Stoff mit ganz vielen Stickereien, den sie einfach abfotografiert hat. Uns war schon wichtig, dass das Artwork diesmal etwas knalliger sein soll. Mit dem kräftigen Rot kommt das ganz gut rüber, finde ich. Es fängt ja auch die deftigere Stimmung, die auf der Platte herrscht, besser ein. Covergestaltung und Inhalt eines Albums sollten nämlich schon Bezüge haben, finde ich. Das ist ja auch bei der "Zombi" Platte äußerst gut gelungen mit dieser verlassenen Fabrikruine.

Absolut, so sehe ich das auch.
Jetzt mal was ganz anderes. Habt ihr irgendwelche Bezüge zur deutschen Musikszene? Macht ihr euch Gedanken darüber, was sich hierzulande entwickelt?

Sebastian: Wir beschäftigen uns jetzt nicht so sehr mit der deutschen Musikszene als deutsche Musikszene. Wir hören halt die Bands, die gerade so präsent sind, oder die wir schon länger verfolgen, oder die gerade so gehypet werden. Es ist halt immer auch so ne Frage, was die deutsche Musikszene überhaupt ist. Gehören wir da dazu, oder sind das nur die Bands, die kommerziell sehr erfolgreich sind wie Silbermond oder Juli, die irgendeinen Befindlichkeitspop spielen, wo wir keinen Zusammenhang zu uns sehen.

Wenn ich mir dieses Festival hier anschaue, seid ihr die einzige deutsche Band im Line Up.

Sebastian (lacht): Das ist auch der Grund, was dieses Festival so sympathisch macht. Auf jedem anderen Festival isses ja so, dass immer die zwei oder drei deutschen Bands, die gerade angesagt sind, spielen müssen, um die Zuschauer zufrieden zu stellen. Das ist doch dann reines Kalkül, wo es gar nicht mehr um die Musik an sich geht. Insofern ist uns das ganz recht, dass wir hier die Einzigen sind.

Peter: Dieses ganze Gelabere in den Medien, ob zu wenig deutsche Musik gespielt wird usw. ist doch sowieso für den Arsch. Solche Leute haben einfach nichts kapiert. Musik braucht keine nationalistische Bezeichnung, um wirksam zu sein. Das führt doch nur zu einer Bandbeweihräucherung der einzelnen Länder: "Seht her, wie haben The Hives und wen habt ihr?". Das geht mir einfach furchtbar auf die Nerven sowas. Deshalb finde ich das Programm des Haldern Festivals auch so toll. Da hat man den Eindruck, dass es den Organisatoren tatsächlich noch ausschließlich um die Musik geht und nicht um irgendwelche Länderquoten.

Benjamin Köhler

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