Interview

Bloodlights


Nach einigen Organisationsproblemen kommt das Treffen mit Captain Poon, Sänger und Gitarrist von Bloodlights, endlich zu Stande. Im überbreiten Lagerhaus in Bremen wird noch eifrig für die sich später als ausgezeichneter Support erweisenden Black Night Crash die Bühne auf Vordermann gebracht als die Unterhaltung mit Poon an einem Stehtisch neben der Bar beginnt. Und wer hätte es gedacht: Dem Mann, der einst als Gitarrist bei Gluecifer nahezu jeden Abend dem Vollsuff erlag und jede Party mitnahm, ist seine neue Rolle als Frontmann keineswegs zu Kopf gestiegen: Man spricht nicht mit einem hochgestylten, arroganten Plastikrocker, sondern mit einem äußerst höflichen und respektvollen Realisten. Aber lest selbst:

Captain Poon, du machst jetzt schon seit du zwölf bist Musik. Nach Gluecifer sind Bloodlights deine zweite Band und du hast mit ihr bisher ein Album veröffentlicht. Wie stand es um Bloodlights, als sich Gluecifer auflösten? Denkst du, die Leute mussten die Band völlig neu entdecken oder glaubst du, dass ihr von deiner Vergangenheit profitiert habt?

Captain Poon: Meine Vergangenheit schlägt natürlich schon Brücken. Viele finden Bloodlights daher gleich von vornherein interessant. Aber letztendlich startest du ja immer eine "neue Marke", wenn Du eine neue Band gründest. Es ist wirklich kein leichter Job, sicherzustellen, dass die Menschen diese Marke auch kennen lernen. Mit Gluecifer dachten wir damals, dass wir die größte Band auf diesem Planeten sind. Viele kannten den Namen und die dazugehörigen Konnotationen. Bloodlights sind ein ganz neues Ding. Selbst wenn die Leute interessiert sind, ist es immer noch eine Menge Arbeit, die Menschen zu erreichen.

Wie hast Du denn damals deine jetzigen Bandmitglieder aufgetrieben?

Poon: Größtenteils waren das persönliche Empfehlungen. Der erste Schlagzeuger von Bloodlights (Jonas Thire, Ex-Amulet – Anm. d. Verfassers) war eigentlich der einzige, den ich bereits vorher kannte. Ich habe die anderen einem nach dem anderen gefunden. Wir haben uns zusammengesetzt und ich hab' ihnen unterbreitet, worum es bei Bloodlights geht. Wenn du meiner Band beitrittst, heißt das, dass du von dem dir gewohnten Alltag einen großen Teil opfern musst. Und dafür musst du erst einmal bereit sein. Also, du darfst dir diesen Prozess der Bandzusammenstellung jetzt nicht wie ein Vorstellungsgespräch vorstellen. Ich hab' damals so einige DVDs und CDs geschickt bekommen von Leuten, die ich überhaupt nicht kannte, die aber in der Band sein wollten. So wollte ich die Band allerdings nicht aufbauen. Ich brauchte da Menschen, mit denen ich schon in irgendeiner Form verbunden war.

Es gibt ja diesen Mythos, dass du bereits nach den ersten zwei Minuten, in denen feststand, dass Gluecifer sich auflösen, wusstest, dass Du eine neue Band gründen würdest. Mal davon abgesehen, inwiefern das wahr ist: Wusstest du da auch schon, dass du den Gesang übernehmen würdest?

Poon: Nein, ganz am Anfang noch nicht. Ich wusste nur, dass definitiv eine neue Band her musste. Ich war noch nicht hundertprozentig sicher, ob ich singen wollte oder nicht....

Auf der Bühne redet jemand in ein Mikrofon, so dass eine vernünftige Unterhaltung unmöglich wird.

Poon (zu dem Typen auf der Bühne): Entschuldigung! Wir machen hier ein Interview...Also, zurück zum Thema: Nach einer Weile hatte ich schon einige Songs geschrieben und auf den entsprechenden Demos eh schon gesungen. Da hätte es sich einfach falsch angefühlt, den Gesang an jemand anderes abzugeben. Diese Songs bedeuten mir einiges, sie tragen viel von meiner Persönlichkeit und daher bevorzuge ich, sie selbst zu singen.

Also würdest du es schon als eine Freiheit bezeichnen, die du nun mit Bloodlights hast? Bei Gluecifer hattest Du ja quasi die Aufgabe, Songs zu schreiben, die auch zu eurem Sänger Biff Malibu passen. Genießt du diese Freiheit oder ist es manchmal eher eine Belastung?

Poon: Ich genieße sie, definitiv. Ich meine, es gibt ja eh so viele verschiedene Dinge, die dich einen Song schreiben lassen. Bei Gluecifer war es fast immer ein Riff, aus dem dann irgendwann ein Song entstand. Jetzt kann der Ursprung auch eine kleine Melodie oder Textzeilen sein, die mir im Kopf umherschwirren. Die Quelle für Inspiration ist einfach viel, viel größer. Und das ist echt cool. Als Musiker bist du ja eh....

Im Club geht lautstark die Musik an.

Poon (rufend): Herrgott, wir machen hier ein Interview, falls ihr's noch nicht gemerkt habt. (zum Interviewer) Sorry, wo waren wir stehen geblieben?

Wir waren bei der Freiheit. Spiegeln die Lyrics des Songs "Bloodlights" abseits der offensichtlichen Thematik des Exzesses vielleicht auch unterbewusst eine Art "aufwachen" von deiner alten Band wieder?

Poon (überlegt, grinst dann): Es ist immer schön, wenn Leute mit derartigen Interpretationen auftauchen. Und das ist ein interessanter Ansatz. Meine Lyrics auf der ersten Platte sind grundsätzlich Sachen, die mich persönlich betreffen und mich etwas angehen. Oder Dinge, die ich hasste. Ein bestimmtes Gefühl musste da sein, damit ich etwas schreiben konnte. Und ich denke, je mehr Lyrics du schreibst, desto einfacher ist es, zwischen dir und deinen Texten eine bestimmte Distanz aufzubauen, so dass sie immer unpersönlicher werden. Ich bin da ein sehr emotionaler Mensch und deine Interpretation könnte man durchaus so betrachten.....

Deine Lyrics sind in der Tat sehr persönlich. Auf der anderen Seite haben einige von euch in der Band immer noch Spitznamen und euer Sound hat ja auch viele Anleihen zum klassischen Hardrock. Fühlst Du dich in einem Kampf zwischen dem Klischee und deiner Persönlichkeit?

Poon: Wenn ich damals meinen Spitznamen abgeschossen hätte, dann wäre das etwas (überlegt)....anmaßend gewesen. So nach dem Motto: "So, ich komme jetzt zurück und bin jetzt sehr ernst, was alles angeht." Daher hätte das für mich überhaupt keinen Sinn gemacht. Wir spielen eben Rock'n'Roll. Und das ist die Marke, für die die Leute mich kennen. Nebenbei bemerkt: sogar in Norwegen nennen mich die Leute bei meinem Spitznamen.

Wie sieht es eigentlich mit Norwegen aus: Habt ihr da überhaupt eine große Fanbase? Euer Debüt habt ihr ja auch in Deutschland aufgenommen. Habt ihr tendenziell mehr Anhänger auf dem europäischen Festland?

Poon: Bloodlights hat eine sehr große "potenzielle" Fanbase. Aber es sieht so aus, als ob es eben dauert, bis wir alle diese potentiellen Fans erreicht haben. Wie ich vorhin schon meinte: Du musst einfach immer und immer wieder beweisen, dass diese Band etwas ist, für das es sich lohnt, dein eigenes Geld auszugeben. Ob du nun auf ein Konzert gehst oder unsere Platte kaufst. Und klar: Wenn meine Vergangenheit nicht gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich noch gar nichts verkauft.

Glaubst du das wirklich? Ich meine, deine Vergangenheit hat euch ja sicherlich beim Aufstieg geholfen. Aber euer Sound ist ja durchaus keine Kopie deiner alten Band. Er ist melodischer und geht in eine eigene Richtung. Ich würde da zum Beispiel Thin Lizzy als Referenz anführen.

Poon: Naja....vielleicht schon. Aber so hatten wir diesen fliegenden Start. Meine Einflüsse will ich da auch gar nicht verleugnen. Thin Lizzy? Absolut! Wesentlich mehr bei Bloodlights als bei Gluecifer.

Ihr habt ja ebenfalls diesen Stempel "skandinavische Rockband" wie auch die Hellacopters. Geht dieser Stempel für euch in Ordnung oder findest du es eher nervig, mit anderen Bands in einen Topf geworfen zu werden, die ihr selbst nicht so gut findet, bzw. die gar nicht zu euch passen? Auch Pop-Bands wie The Sounds beispielsweise.

Poon: Mit denen werden wir eh nicht großartig verglichen. Die Leute fingen eben irgendwann an, für diesen Stempel, den du gerade erwähnt hast, ein konkretes Bild im Kopf zu entwickeln. Da ist natürlich zu einem großen Teil auch einfach die Schuld der Presse. Einem Journalisten fehlt einfach das passende Wort, dann findet mal einer das richtige und alle gehen mit. Ich glaube aber nicht, dass das heute noch wirklich etwas bedeutet. Wenn die Presse uns mit Bands in einen Topf wirft, von denen ich weiß, dass ich mit denen eigentlich nichts weiter zu tun habe oder die ich vorher gar nicht kannte, dann ist mir das eigentlich ziemlich Wurst.

Auf eurer Myspace-Page habt ihr euch ja auch selbst als "Powerpop" charakterisiert. Ich finde das gut, denn viele Bands scheuen sich ja vor diesem Begriff. Ihr scheint offener damit umzugehen, denn es gibt ja ein Pop-Element bei Bloodlights.

Poon: Danke, Volltreffer! Ich war schon immer für Melodien. Verglichen mit Biff....Also, ich will nicht sagen, dass er Melodien hasste. Aber wenn du ihm beispielsweise einen A-Moll-Akkord vorgespielt hast, meinte er nur: "Oh cool, aber bitte weg mit dem "Moll"!". Er war für das ganz simple, ohne Kanten, ich bin da eher für richtige Melodien.

Das hört man deutlich in deiner neuen Band. Plant ihr eigentlich schon eure nächste Platte?

Poon: Japp. Gleich nach Rock am Ring wollen wir zwischen den Touren immer mal wieder ins Studio. Und wenn alles klappt, dann kommt unsere zweite Platte nächstes Frühjahr schon raus.

Spielt ihr denn schon neue Songs? Und werdet ihr die Platte wieder von Phil (Caivano, Ex-Monster-Magnet, Anm. d. Verf.) produzieren lassen?

Poon: Wir spielen nur einen neuen Song bereits live. Und dieses Mal werde ich die Produktion übernehmen. Ich hab' da eh schon einige Erfahrung. Ich weiß, dass ich das hinkriegen kann und jetzt will ich es mal ausprobieren...

Wieder geht die Musik im Club an. Nach dem von Captain Poon höflich unterbreiteten Angebot, das Interview Backstage weiterzuführen, ziehen wir um.

Hast Du denn schon einmal richtig etwas aufgenommen?

Poon: Nicht so richtig, aber es kommt darauf an, wie du das auslegst. Wenn du eine Rockplatte produzierst, dann krempelst du die Songs ja nicht von grundauf um. Das wird dann vermutlich ein bisschen so laufen wie bei unseren Demoaufnahmen. Zu Hause kann ich dann umarrangieren und damit herumspielen. Und dann schauen wir mal, wie weit wir da mit meinen Fähigkeiten kommen. Ron, unser Bassist, hat auch schon eine Menge Studioerfahrung, das wird also kein Problem.

Werdet ihr dann in Norwegen aufnehmen?

Poon: Nein, vermutlich werden wir an mehreren Orten aufnehmen. Nach Rock am Ring probieren wir mal ein anderes deutsches Studio aus, wo sie einen wirklich riesigen Raum für Schlagzeugaufnahmen haben. So einen gigantischen Raum habe ich für derartige Aufnahmen noch nicht ansatzweise gesehen,da müssen wir einfach hin und das ausprobieren.

Kommen wir zur letzten Frage: Wie sieht es denn mit deinem privaten Musikgeschmack aus? Danko Jones ist ja auch allgemein bekannter Plattenfreak und hat mit seinem neuen Album einen ähnlichen Ansatz wie ihr verfolgt. Dabei will er die Leute ja auch ganz konkret von seinen Einflüssen wissen lassen. Bist du da genauso?

Poon: Wenn Leute direkt nach meinen Einflüssen fragen, ist das etwas langweilig. Die sind ja seit etwa 20 Jahren unverändert (lacht). Ich versuche natürlich auch mal, was Neues zu entdecken. Wenn ich mir meine Plattensammlung aber anschaue, dann ist alles, was da drinnen ist, Zeugs, das ich immer noch gern höre. Ich bin nie richtig zwischen Genres hin- und hergesprungen, sondern im Wesentlichen bei Punk-Rock, Rock'n'Roll und ein bisschen Metal geblieben.

Bingo. Irgendwo zwischen diesen drei Polen bewegen sich Bloodlights dann auch live. Jeweils ein Coversong von The Damned und den Sex Pistols im Reportoire, einige eingesträute Gniedelsoli. Der Rest ist Formsache.

Gordon Barnard

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