Festival-Nachbericht

Wir Bauen Eine Neue Gedankenskulptur 2012


"Wir bauen eine neue Gedankenskulptur" oder: Wie man ein Festival auf die Beine stellt – Trier, die älteste deutsche Stadt, tut einiges dafür, ihren eingestaubten Ruf zu erhalten. Ein Großteil der Kultur-Gelder werden dafür investiert, Touristen zu den römischen Ruinen zu locken. Für innovative, kreative Ideen bleibt da nicht viel übrig. Wie schafft man es dennoch, dort ein modernes, alternatives Festival auf die Beine zu stellen? Das ist gar nicht so einfach und lässt sich nur mit viel Elan, guten Nerven und engagierten Mithelfern durchsetzen. Monika Dorniak hat es geschafft und kann über den steinigen Weg, hin zum eigenen Festival, berichten.

Im Mai fand in Trier das interdisziplinäre Festival "Wir bauen eine neue Gedankenskulptur" statt. Bereits in den Wochen vor dem eigentlichen Festivalwochenende boten die Organisatoren Workshops und Aktionen an. Am 12. Mai wurde das Festival feierlich mit einem Konzert- und Ausstellungstag abgeschlossen. Mit dabei waren noch unbekannte, aber nennenswerte Künstler, allen voran die in Berlin lebende Schwedin Molly Nilsson, (http://www.facebook.com/mollynilssonpage) die das Festival würdig beendete und durch ihre Bühnenpräsenz und ihre berührenden Songs viele verzückte und ergriffene Menschen hinterließ. Auf der Bühne stand sie ganz allein, lediglich ausgerüstet mit einem Mikrophon und einem CD-Spieler. Der diente als Bandersatz und spielte zuvor aufgenommene Instrumentalmusik ab. Dazu sang Molly mit ihrer tiefen und melancholischen Stimme und verschaffte von der ersten Sekunde an Gänsehaut. Das Ganze erinnerte an dunklen 80er-Jahre-Elektro-Pop. Auf der Homepage ihres eigenen Labels Dark Skies Association sind einige ihrer Songs mit dazugehörigen Videos zu bestaunen.

Ähnlich melancholisch schön, aber etwas rockiger, ging es zuvor bei Terrorbird zu. Die kanadische Band um die Musikerin Nikki Newer begeisterte mit selbsternanntem Shadow-Pop, mit Synthie-Melodien, die zum Tanzen und Träumen einluden. Das Tanzbein wurde auch bei den Herren von Natas Loves You aus Frankreich geschwungen, als diese mit Gitarren, Keyboards, Drums und Kuhglocken loslegten. Des Weiteren gab es entrückten Indietronic aus Berlin von Whale vs. Elephant, Progressive-Rock von Harmonic Heyday, sowie melodiösen Indie-Rock von den Luxemburgern Lumi zu hören.

Was erfolgreich endete und im Nachhinein zufriedene Gemüter hinterließ, war im Vorhinein eine Heidenarbeit mit vielen Stolpersteinen. Vor allem die Organisation des Konzerttages und der Ausstellung kosteten viele Nerven. Aber die Zusammenarbeit mit vielen kreativen Menschen hatte auch ihre guten Seiten und sorgte für ein vielfältiges Angebot.

Kannst du einen kurzen Überblick über das große Spektrum des Festivals geben und erklären, was es mit der "Gedankenskulptur" auf sich hat?

Monika: Die zum Festival gehörenden kreativen Workshops, in deren Rahmen auch die "Gedankenskulptur" gebaut wurde, liefen schon im Vorhinein. Es wurden Kostüme genäht, Performances erarbeitet, die Grundlage für das Buch zur Ausstellung gelegt und im Allgemeinen viel diskutiert. Den Kern des Festivals bildete die zweitägige Ausstellung. Die Leitidee des Ganzen war es, gemeinsam mit Kreativen, Künstlern und Wissenschaftlern interdisziplinär zum Thema "Wahrnehmung" zu arbeiten. Das größte Projekt war der Aufbau der "Gedankenskulptur". Sie wurde direkt in den Räumlichkeiten der Alten Post aufgebaut und war eine betretbare Installation, eine Insel aus Stoffen und Licht, die mit einer Videoprojektion verbunden war. Die "Gedankenskulptur" wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Studenten der Uni und FH gebaut. Die Ausstellung wurde begleitet von einer Tanzperformance, Experimenten, sowie Vorträgen zu psychologischen Studien. Den Abschluss bildete der Konzerttag, an dem großartige Nachwuchskünstler aus Paris, Luxemburg, Kanada und Berlin spielten.

Wie kam es zu der Auswahl der Künstler?

Monika: Schon bevor ich mich an die bürokratischen Arbeiten machte, suchte ich nach für das Festival interessanten Künstlern. Mit einigen von ihnen bin ich befreundet und arbeite mit ihnen zusammen, wieder andere entdeckte ich aufgrund ihrer interessanten Arbeiten und schrieb sie über das Internet an. So freute es mich z.B. sehr, dass Pamela Reed & Matthew Rader (http://www.reedandrader.com/) aus NY ihre Arbeiten für die Ausstellung zur Verfügung stellten.

Es wurde wörtlich gesehen eine Gedankenskulptur aufgebaut... aber auch symbolisch wurde mit den Gedanken der Teilnehmer und Besucher gespielt...

Monika: Der große Themenbereich der menschlichen "Wahrnehmung" begleitete das Festival-Projekt und die gesamte Vor- und Nacharbeit. Internationale und regionale Künstler, sowie andere Kreative und Denker kamen während des Festivals zusammen, um das Thema "Wahrnehmung" auf ihre eigene Weise und mit ihrem Forschungshintergrund zu interpretieren und darzustellen. Es kam zu Kooperationen zwischen Psychologen, Philosophen und Künstlern, und es ergaben sich Diskussionsrunden, beispielsweise zum Thema Synästhesie. Alle Teilnehmer konnten voneinander lernen und so ihren Horizont erweitern.

Kooperation ist im Allgemeinen ein wichtiges Schlagwort für dich...

Monika: Ja. Meine Idee ist es, durch Projekte wie das Festival Psychologie, Philosophie und Kunst miteinander zu verbinden. Ohnehin sollten diese Disziplinen auch im Alltag viel mehr miteinander kooperieren. Oftmals ist es doch so, dass wir innerhalb unserer Berufs- oder Studienfelder in einem sehr vororganisierten, gesteckten Rahmen arbeiten. Die Beschäftigung mit Themen außerhalb dieses Rahmens ist oft nur schwer möglich. Allerdings sollte jeder mal versuchen, aus diesem Raster heraus zu kommen.

War es einfach, in Trier ein interdisziplinäres Festival mit recht alternativen Ansichten auf die Beine zu stellen?

Monika: Es war alles andere als einfach. Es gab riesige bürokratische Hürden. So absurd es klingt, ich musste manchmal an das Zelda-Gameboy-Spiel denken, dass ich früher oft gespielt habe: Es gab immer neue Aufgaben, manchmal wusste ich nicht weiter und suchte eine Ewigkeit nach Lösungsmöglichkeiten, die mich schließlich zum Ziel führten.

Stichwort Bürokratie: Es gab einen Haufen Papiere zu erledigen, oder?!

Monika: Ja, ich bin von einem Amt zum nächsten gelaufen und habe versucht, den Beamten verständlich zu machen, was ich vor habe. Ich habe unheimlich viele Anträge gestellt, auf viele Antworten, die zum nächsten Schritt geführt haben, musste ich wochenlang warten. Auch hier war ich froh, dass ich einen Teil der Arbeit an mein Team abgeben konnte.

Ihr hattet bis zum Schluss mit großen Problemen zu kämpfen...

Monika: Ja! Zwei Wochen vor dem Festival ergab sich ein riesiges Problem: Die Besitzer der Alten Post, in der die Ausstellung stattgefunden hat, kamen plötzlich auf die Idee, möglicherweise die Räumlichkeiten anderweitig zu nutzen, um einen größeren Profit zu erzielen. Plötzlich war die Übereinkunft über die Nutzung mit uns Studierenden nichtig, wir wurden nicht für voll genommen. Die KUKS (Kultur- und Kreativstation Trier) haben uns dabei in der letzten Sekunde ausgeholfen, indem sie unsere Vertragspartner wurden und mit den Zuständigen der alten Post verhandelten.

Ihr seid ja eine Gruppe von Studenten, die zusammen am Festival-Aufbau gearbeitet haben... wie habt ihr das alles finanziert?

Monika: Schon Monate vor dem Festival habe ich angefangen Anträge zu stellen, um Sponsoren-Gelder für das Festival zu beantragen. Es war eine Heidenarbeit, die so viel Zeit schluckte, dass ich im Endeffekt selbst nicht mehr viel Zeit hatte, für die Ausstellung großartig kreativ zu werden. Aber ich habe auch viel daraus gelernt. Bei den unterschiedlichen Sponsorenanträgen musste ich mich beispielsweise immer wieder in die Denkweise der unterschiedlichen Geldgeber versetzen, ihnen etwas anzubieten, was für sie nützlich ist, um so ihr Geld zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Wie kam es eigentlich zu der Gruppe von Mitwirkenden, die an der Organisation des Festivals beteiligt waren?

Monika: Nachdem ich anfangs versucht habe, alles alleine zu managen, realisierte ich irgendwann, dass es so nicht weiter geht und ich Hilfe brauche. Es fiel mir schwer Aufgaben abzugeben, da ich als Veranstalterin die Verantwortung für das Handeln anderer zu tragen hatte, aber schließlich ist es gut gegangen und darüber bin ich froh. Am Ende war ich wirklich erstaunt, dass sich da auf einmal eine große Gruppe von Menschen zusammen gefunden hatte, die alle freiwillig etwas füreinander und für die Kultur in ihrer Stadt tun wollten!

Was hast du aus der Festival-Organisation gelernt?

Monika: Ich habe verstanden, dass alles viel Zeit in Anspruch nimmt und dass man in einer alteingesessenen Stadt wie Trier nicht alles von heute auf morgen umwerfen kann. Die Menschen brauchen ihre Zeit, um sich auf etwas "Neues" einzulassen. Ich habe aber auch gemerkt, wie interessant es ist, mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen zu arbeiten. Wir haben alle aus unseren Erfahrungen gelernt. Momentan planen wir übrigens schon das nächste, etwas kleinere Projekt. So viel kann schon verraten werden: Es wird in Kooperation mit dem Ex-Haus hier in Trier stattfinden.

Zum Festival "Wir bauen eine neue Gedankenskulptur" gibt es ein Gewinnspiel, bei dem ihr folgende Preise absahnen könnt:

5 x das Magazin zum Festival
2x Molly Nilssons Album "Europa" auf Vinyl
10 x ein Poster der Künstler Pamela Reed & Matthew Rader / Anthony Antonellis

Sendet einfach eine Email an gedankenskulptur@yahoo.com und mit etwas Glück gehört euch einer der Preise.

Anlässlich des Festivals wurde eine Compilation, mit Künstlern, die auf dem Festival aufgetreten sind und weiteren befreundeten Musikern ins Leben berufen. Diese gibt's zum kostenlosen Download bei Bandcamp, oder auch bei uns im Stream:

Marlena Julia Dorniak

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!