Festival-Nachbericht

Trænafestivalen 2012


Punkt, Punkt, Komma, Strich... immer lacht das Sonnengesicht! Dunkel wird's nämlich auf dem Trænafestivalen nie: Das Festival ist sozusagen auf dem Polarkreis beheimatet und wird daher im Mittsommer von 24 Stunden Sonne beschenkt. Doch das ist sicherlich nicht das Einzige, was das Trænafestivalen zu einem besonderen Erlebnis macht.

Die Festivalbesucher sind sich einig: Allein die Reise nach Træna ist es schon wert, auf das dortige Festival zu gehen. Ob nun mit Flugzeug, Zug oder Auto, in jedem Fall bekommt man auf dem Weg 'gen Norden eine Menge wunderschöne, nahezu unberührte Natur zu sehen. Schneebedeckte Berge und tiefblaue Gletscher stehen im Kontrast zu den kunterbunten Blumenwiesen und den von smaragdfarbenem Meerwasser umspielten Fjorden. Die kleinen Hafenstädtchen sind hingegen häufig weniger romantisch, wie zum Beispiel das tristgraue Bodø. Doch für die letzte Etappe sind die Häfen unumgänglich, denn ohne Fähre kommt man nicht nach Træna. Aber die Überfahrt entschädigt schnell. Bei bestem Sonnenschein geht's hinaus aufs weite Meer. Und wenn man dann noch das Glück hat, währenddessen einem Bootskonzert von Moddi zu lauschen... Perfekt. Besser kann ein Festival nicht starten.

Angekommen auf der Insel, erwartet einen gleich ein ganzes Empfangskomitee, bestehend aus neugierigen Dorfbewohnern, Festivalhelfern und vor allem Kindern, die einem das Gepäck zum Zeltplatz bringen möchten. Auf dem Weg zum Bändchentausch teilen die Helfer Timetables an Schlüsselbändern aus. Das ist wirklich mal praktisch, denn wem ist nicht schon einmal der Zeitplan auf einem Festival flöten gegangen?

Angekommen auf dem Zeltplatz verlieren sich bereits weit verstreut die bunten Zelte in der moosig-hügeligen Insellandschaft. Viele Camper suchen sich einen Felsvorsprung, der das Zelt vor dem starken Wind schützen soll, aber dies geht meist auf Kosten eines ebenen Untergrundes. Doch ein bisschen Schieflage soll einen nicht stören, wenn man dafür auf das Wahrzeichen Trænas blicken darf, nämlich die markante Bergsilhouette der Nachbarinsel Sanna, die auch auf den diesjährigen Festivalbändchen abgebildet ist.

Musikalisch hat das Trænafestivalen aber natürlich auch etwas zu bieten. Es besticht vor allem durch seine Vielfalt gut ausgewählter Künstler völlig unterschiedlicher Musikgenres. Jazz, Pop, Rock, Folk, Elektro, Hip Hop usw – so ziemlich für jeden ist etwas dabei. Die Konzertlocations sind hierbei etwas Besonderes. Neben einer "normalen" Hauptbühne und zwei kleineren Zeltbühnen (Tipis), stechen vor allen Dingen die Höhlenbühne auf der Nachbarinsel, die kleine Dorfkirche und die noch viel winzigere Kapelle hervor. An den letztgenannten Orten ist der Andrang stets sehr groß. Besonders lang ist die Schlange vor der Kirche beim blonden Wuschelkopf Moddi, der mit seinem Charme nicht nur seine Landsleute in den Bann zieht. Er präsentiert viele neue Songs, die hoffentlich bald vertont werden, denn sie verdienen großes Publikum.

Während es also bei Moddi oder auch Josh T. Pearson in der Kirche bereits sehr eng wurde, wie sollten dann all die Menschen für das Solokonzert von Erlend Øye in die noch kleinere Kapelle passen? Eigentlich gar nicht, denn nur circa 20 Leuten wird Einlass gewährt und – oh Wunder – uns nicht. Aber die nicht Auserwählten dürfen sich um eine kleine Lautsprecherbox positionieren und ab und an lässt sich auch durch eins der schmalen Kapellenfenster lugen, um einen Blick ins Innere zu erhaschen.

Aber der gute Erlend zeigt sich ja noch ein zweites Mal mit Whitest Boy Alive auf der Hauptbühne. Doch als Daniel Nentwig (Keyboarder) vor lauter Spaß an der Sache auf sein Instrument steigt, stürmt die übereifrige Security aus dem Hintergrund auf die Bühne und schreit ihn an. Wild fuchtelnd versucht die Security den Keyboarder runter zu holen. Die Musik verstummt. "Jetzt will ich nicht mehr", gibt Daniel bockig zu verstehen. Doch Erlend lenkt ein und versucht die Situation zu entschärfen. Er verspricht, falls irgendwas mit dem (anscheinend nicht bandeigenen) Keyboard sein sollte, für den Schaden aufzukommen. Kaum ist die Security von der Bühne verschwunden, springt Daniel erneut aufs Keyboard. Das Schauspiel wiederholt sich, doch diesmal wird schneller Frieden hergestellt und endlich steht einem schönen Konzert nichts mehr im Wege.

Bei den leicht bekleideten Finninnen von LCMDF (Le Corps Mince de Françoise), die mit ihrem 90er-Jahre-Elektropop ordentlich für Stimmung sorgen, läuft hingegen alles glatt. Wer sich da nicht schon im Tipizelt befindet, der ist es spätestens bei Alina Devercerski. Die junge Schwedin lässt aufgrund ihres One-Hit-Wonders "Flytta på dej" so gut wie alle Festivalbesucher zur Tipibühne strömen. Das Indianerzelt ist berstend voll und platzt beinahe bei der tanzenden, jubelnden Masse nur so aus allen Nähten. Da das Repertoire der Dame bislang jedoch nicht so umfangreich ist, wird der Lieblingssong des Publikums halt auch zweimal gespielt. Es klingt ziemlich trashig und macht unfassbaren Spaß.

Als ein ganz besonderes Erlebnis ist in jedem Fall auch das Höhlenkonzert auf der Nachbarinsel Sanna zu nennen. Es lohnt sich, bereits früh nach Sanna überzusetzen, um etwas Zeit zu haben, die wunderschöne Insel zu erkunden. Auch hier werden die Festivalbesucher wieder freundlich von den Dorfbewohnern empfangen, die kleine Leckereien und Kunsthandwerk am Wegesrand verkaufen. Und schon geht's auf in die Dunkelheit, ab in den Liebestunnel. Bis die Augen sich vollständig daran gewöhnen, braucht es ein paar Minuten. Die ersten Meter ist es stockfinster. Man weiß nicht, wohin die Füße treten, absolute Stille. Wo ist überhaupt der Nachbar? Und dann erklingt ein leises Flötenspiel, ein paar Schritte weiter erscheint warmes Kerzenlicht, welches einen den Aufstieg durch die Finsternis erleichtert. Oben angekommen, muss man sich erst einmal setzen, denn der atemberaubende Ausblick auf das Trænaarchipel mit seinen unzähligen kleinen Inseln will bestaunt werden. Dazu darf ein Sekt geschlürft werden, der als Belohnung für den Aufstieg an die Festivalbesucher kostenlos verteilt wird. Hier könnte man ewig verweilen, doch man möchte ja auch nicht das Höhlenkonzert verpassen. Bei bestem Wanderwetter geht's nun einen steilen Weg wieder hinab. Und dann, inmitten von Felsen, tut sich ein riesiges Loch auf. Die Höhlenbühne birgt eine wahnsinnige Akustik und lässt Ingrid Olavas Konzert zurecht zu einem Highlight des Festivals werden.

Es gibt also sehr viel Positives vom Festival zu berichten, aber den Titel könnte man auch anders fortführen: Punkt, Punkt, Komma, Strich – ganz auf geht diese Rechnung nicht. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Für norwegische Verhältnisse mag der Ticketpreis mit umgerechnet rund 160€ noch erschwinglich sein, wenn da nicht so ein paar Zusatzkosten wären. Zum einen ist das Camping dort nicht mit inbegriffen. Das kostet nochmal knappe 30 €. Doch um diese Gebühr leisten zu können, musste man im Besitz einer sogenannten Cashlesscard sein, welche ebenfalls nicht kostenlos war. Und für diese Karte, die bargeldloses Zahlen auf der Insel versprach, wurde wiederum eine Kreditkarte benötigt. Alles etwas umständlich! Vor allem ausländische Festivalbesucher wünschen sich, in Zukunft solche zusätzlichen Kosten transparenter zu machen. Internationales Publikum gab es übrigens dank der letztjährlichen Berichterstattung erstaunlich viel.

Sonst hat allerdings kaum einer was zu meckern und am Ende verlassen alle glücklich und zufrieden wieder die Insel. Schnell ist der Zeltplatz fast menschenleer. Am Folgetag des letzten Konzerts sind vielleicht noch 20 Festivalbesucher auf der Insel, doch man könnte die Zahl viel höher schätzen, denn viele Norweger lassen ihre Zelte, samt Luftbett und Campingstuhl einfach stehen. Einwohner erklären, dass das jedes Jahr so sei, denn die Zelte seien für Norweger halt einfach "zu günstig", als dass sich ein Abbau lohnen würde.

Wer also nach Træna fährt, kann nicht nur tolle Konzerte inmitten beeindruckender Natur erleben, sondern auch am Ende noch eine Campingausrüstung abstauben!

Frauke Stenglein

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