Festival-Nachbericht

TakeRoot Festival 2015


Klare Verhältnisse in Benelux: Belgier mögen elektronisches Gebumse, Niederländer mögen Country, Blues und Rootsrock. Das zeigt sich nicht nur daran, dass amerikanische Größen dieses Genres wie Seasick Steve die meisten Gigs ihrer Touren oft im Land von Holzschuhen und Tulpen absolvieren, sondern auch daran, wie souverän sich das TakeRoot Festival in den letzten 18 Jahren in Groningen etabliert hat.

Auch wenn vom Begriff "Festival" hier nur jene Grundidee übrig bleibt, dass Bands auf verschiedenen Bühnen spielen – denn der Austragungsort ist ausschließlich das Kulturzentrum De Oosterpoort, das ansonsten von Klassik bis Metal Musik verschiedenster Genres ein Forum bietet. Wer hier alle vier Säle nutzt plus Bands im geräumigen Foyer auftreten lässt, hat fünf Bühnen, die er nutzen kann, erfahrene Gastronomiebetriebe bereits integriert und genügend Platz, um verschiedene Plattenhändler ihr rundes, schwarzes Gold anbieten zu lassen. Kein Wunder, dass sich De Oosterpoort also als perfekte Location für eine unaufgeregte Zielgruppe, größtenteils im Spätsommer ihres Lebens, entpuppt, die für gemütliche Abende mit Bands nicht mehr das Zelt auslüften wollen, das ihre Kinder den Monat zuvor beim Lowlands versaut haben.

Attraktiv ist ein solches Publikum natürlich nicht nur aufgrund seiner tendentiell hohen Bereitschaft, sich auch mal von etwas teureren BBQ-Buffets statt Dosenravioli zu ernähren, sondern auch aufgrund des Respekts, den diese der Musik durchgängig entgegen bringen: Die per Plakat betonte Bitte, in den Sälen nicht zu quatschen, wird durchgängig befolgt, das Schlupfloch, dass niemand etwas von den Shows im Foyer gesagt hat, jedoch ebenso gerne genutzt. Schade für die dort auftretenden Houndstooth und The Crooked Brothers, die jedoch fairerweise auch nicht allzuviel dafür tun, um das Publikum trotzdem an ihre Musik zu fesseln.

Aber wie gut, dass komplette Ruhe herrscht, wenn Conor O'Brien aka Villagers im großen Saal auftritt: Dieser spielt, ganz im Geiste des aktuellen Albums "Darling Arithmetic", ein stilles, intimes, von Harfe und Kontrabass unterstütztes Set, das auch die Songs der ersten beiden Alben auf diese Art und Weise präsentiert – und damit umso mehr betont, was für eine fantastische Stimme O'Brien eigentlich hat. Im Gegensatz dazu sind Dawes geradezu Poser – nicht nur wegen der schön regelmäßigen Gitarrensoli, sondern auch dank Frontmann Taylor Goldsmiths teils fast schon klischeehafter Art und Weise, seine Gitarre zu halten. Dennoch schaffen Dawes es, sich während ihres Sets immer weiter zu steigern und trotz 80 Minuten Spielzeit Klagen über fehlende Zugaben aufkommen zu lassen – wenn Wilco sich einmal trennen, dürften Dawes zumindest die Bewerbung für die Stelle als beste Americanaband ausfüllen. Den Abschluss im großen Saal bilden schließlich My Morning Jacket: Jim James in subtiler Guru-Montur lässt den geradezu biblischen Heldenstatus, den diese Band bei vielen genießt, schon irgendwo erkennen; die brachialen, energiegeladenen Teile ihres Sets tun ihr Übriges – wem die Band und ihre ruhigeren Songs jedoch hin und wieder etwas esoterisch vorkommen, der mag ebenso Recht haben.

So stoßen My Morning Jacket dann auch im Endeffekt auf weniger Euphorie als so manche Band, die dem Americana-Country-Prototyp des diesmal sehr homogenen TakeRoot-Line-Ups mehr entspricht, die den sowieso schon roten Faden der Festivalbooker dieses Jahr noch etwas straffer spannte. Die vollen Säle im Oosterpoort zeugten davon, dass diese Rechnung aufging. Da darf man gespannt sein, was das 19. TakeRoot bringt – für so ein Festival kann man schließlich gar nicht zu alt werden.

Jan Martens

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