Festival-Nachbericht

Reeperbahn Festival 2017


Das Reeperbahn Festival ist in gewisser Weise der Vielseitigkeitswettbewerb unter den deutschen Festivals. Europas größtes Clubfestival verlangt von den Besuchern nämlich mehr als einfach ein Ticket zu kaufen und Musik zu hören. Sie müssen außerdem ihre Fähigkeiten im Planen, Querfeldeinhören und An-Betrunkenen-Kiezgängern-Vorbeidrängeln beweisen.

Damit die Bedingungen halbwegs fair bleiben, tun aber auch die Veranstalter ihr Bestes, um das Reeperbahn Festival so vielseitig wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Wäre ja auch langweilig, wenn mehr als zwei Besucher am Ende genau die gleichen Konzerte gesehen hätten. Und dabei sind nur 500 der 800 Programmpunkte überhaupt musikalischer Natur. Dazu kommen natürlich die ganzen Briefings, Gesprächsrunden und Networkingevents, die Vertreter der Musikszene nebenher abhalten. Außerdem gibt es noch diverse Kunstinstallationen, Ausstellungen und erstmals auch ein Musikfilmfestival. Wer soll da noch den Überblick behalten?

Kein Wunder also, dass sich die meisten Besucher trotz des mannigfaltigen Angebots auf das Wesentliche konzentrieren: die Musik. Das macht die Entscheidung aber auch nicht viel einfacher. Mehr noch als in den Vorjahren zeichnet sich das Booking durch Vielseitigkeit aus, kaum ein gängiges Genre ist nicht vertreten. Songhoy Blues aus Mali füllen den Mojo Club bis zum Anschlag mit ihrem Desert Blues, im Resonanzraum gibt es Klassik und Jazz, während Geheimact Liam Gallagher eine Straße weiter die Herzen höher schlagen lässt (sogar mit "Wonderwall"-Cover!). Hardrock mit Querflöte gibt's von Wucan und mit Zugezogen Maskulin ist auch einer der großen Namen der deutschen Rapszene dabei. Bei einem spontanen Secret Gig von Death From Above kann man sich bei Bedarf auch das Trommelfell wegblasen lassen. Bei so viel Auswahl bleiben keine Wünsche offen, außer dem nach ein paar Verschnaufpausen vielleicht. Und dass man sich die Junggesellenabschiede, die sich am Wochenende torkelnd über die Reeperbahn schieben, ganz weit weg wünscht, ist auch klar.

Echten Unmut gab es über die stark verschärfte und etwas verwirrende Taschenpolitik: Offiziell sind nur noch Taschen erlaubt, die kleiner als ein DIN-A4-Blatt sind. So weit, so klar. Turnbeutel und Stoffbeutel durften aber anscheinend auch größer sein und Rucksäcke waren in einigen Clubs überhaupt nicht willkommen. Einschließen konnte man für zu groß befundene Taschen auch nicht auf dem Gelände, sodass für einige Besucher der Abend direkt bei der ersten Einlasskontrolle zu Ende war. Zum Glück blieb auch nach dem Umzug des Bändchenzelts in das neue Festival Village auf dem Heiligengeistfeld der Spielbudenplatz das Herz des Reeperbahn Festivals, wo man auch ohne Einlasskontrolle Bands auf drei verschiedenen Bühnen sehen konnte. Das ist zwar ein netter Nebeneffekt der Strategie, die Festivalgänger nicht strikt vom normalen Partyvolk auf dem Kiez abzugrenzen, aber das ist nur ein schwacher Trost für diejenigen, die lieber Dispatch im Docks gesehen hätten. An der Kommunikation von solch wichtigen Änderungen müsste man also noch arbeiten. Ansonsten darf beim Reeperbahn Festival nächstes Jahr gerne alles so bleiben wie bisher – noch mehr zusätzliche Vielseitigkeit kann man in vier Tagen gar nicht ertragen.

Lisa Dücker

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