Festival-Nachbericht

Pirate Satellite Festival 2014


Läuft. Eins der Lieblingswörter des seit jeher für seine Entspanntheit bekannten Norddeutschen bedeutet in etwa so viel wie "Im Großen und Ganzen zufriedenstellend, wird schon schiefgehen, jetzt hol mir lieber ein Bier!" und kann auf so verschiedene Fragen wie "Wie geht's?" oder "Was sagt der Schwangerschaftstest?" angewandt werden. Ähnliches werden sich die Macher der Hamburger Variante des Pirate Satellite Festivals auch in so mancher Phase der Organisation gedacht haben: Während der große Stuttgarter Bruder schon früh Line-up und Timetable stehen hatte, wurden außer den (zumindest heimlichen) Headlinern La Dispute alle Bands des eintägigen Hamburg-Events erst relativ spät bestätigt und deren Verteilung zudem erst am Tag des Events selbst bekannt gegeben.

Im Endeffekt aber egal, denn die nordische Gelassenheit bewies sich wieder einmal: So reicht es an Information ja schließlich, die Auftrittszeiten in der Halle auszuhängen, wenn es dank zwei Bühnen in der Markthalle sowieso keine Überschneidungen gibt und bei einem planmäßigen Ende von 22.45 Uhr auch wirklich jeder noch die letzte Bahn bekommt. Eine solche Verteilung von acht Bands auf knapp fünf Stunden bringt dann aber natürlich auch teils unbefriedigend kurze Spielzeiten mit sich – auch wenn die eher unspannenden Lokalmatadore Diane Parker's Little Accidents und Eugene Quell (eine Art jüngerer Seasick Steve, der solo mit E-Gitarre auftrat) auch für 20 Minuten auf der kleineren MarX-Bühne sicherlich dankbar waren. Eben jene erlebte dann auch ihr größtes Highlight mit Larry And His Flask, die man wohl als Mischung aus Flogging Molly und Mumford & Sons beschreiben kann – dass jenes Quintett am besten mit Bier zu genießen ist, liegt da wohl ebenso nahe wie die Vermutung, dass in Zukunft so mancher ausgelassene Festivalnachmittag mit Larry And His Flask bestückt werden könnte.

Die wirklichen Highlights jedoch hatte – wie zu erwarten war – die große Bühne der Markthalle zu bieten: Es sagt schon eine Menge aus, wenn eine Band wie O'Brother um 17.55 Uhr einen Abend einleitet. So gut deren aktuelles Postrock-Hardcore-Werk "Disillusion" aber auch ist – dass die Vocals unter den regelrecht donnernden Sounds etwas untergingen und bei einem gerade einmal 30-minütigen Set alleine der Titeltrack bereits ein Drittel der Setlist ausmacht, trübte den Eindruck ein wenig. Es kann aber ja auch nicht jede Band mit widrigen Bedingungen so gut umgehen wie Apologies, I Have None: Hier reicht eine knappe Dreiviertelstunde für den erneuten Beweis, dass der britische Punkrock nach The Clash nicht komplett gestorben ist – und auch was Ohrwürmer angeht, muss sich die Band nicht hinter Strummer und Konsorten verstecken.

Das Problem bei La Dispute jedoch: Selbst ein komplettes, neunzigminütiges Set ist bei dieser Ausnahmeband eigentlich zu kurz, die 45 Minuten beim Pirate Satellite Festival sowieso. Zu kurz, um neben den Jetzt-schon-Klassikern "Somewhere At The Bottom..." und "Wildlife" ebenso "Rooms Of The House", den nächsten großen Schritt in der Entwicklung der US-Band zu berücksichtigen, zu kurz, um neben (relativ gesehen) Gassenhauern wie "The Most Beautiful Bitter Fruit" auch den epischeren oder den melancholischeren Seiten der Band komplett Genüge zu tun. So ist keiner mit der erneuten Qualität und emotionalen Intensität des Auftritts unzufrieden, doch jeder vermisst etwas – seien es der fehlende Teil des "Woman"-Doubles, das Opus Magnum "King Park" oder einfach nur mehr Songs vom Debüt. La Dispute: Hamburg will dich wieder.

Dass dann dahinter Brody Dalle den Abend abschließt – mit gefühlt so langer Auftrittszeit wie alle anderen Bands zusammen, aber auch dem Material von bereits zwei Ex-Bands im Gepäck – stört niemanden, wird von vielen aber wohl auch als Aftershow des La-Dispute-Auftritts verstanden. Eine durchaus gute Aftershow, die auch durchaus die Qualitäten von Dalles Albumdebüt "Diploid Love" erahnen lässt und sich damit perfekt in einen Konzerttag einfügt, an dem die Beschwerden im Endeffekt doch auf hohem Niveau stattfanden. Und das trotz teils dünnen Informationsflusses. Läuft halt.

Jan Martens

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