Festival-Nachbericht

Phono Pop Festival 2014


Rüsselsheim, du Feine! Immer wieder erstaunt von deiner latent provinziellen und auch etwas heruntergekommenen Art, von den zig Kuriositäten, die du immer aufs Neue offenbarst, von den tatsächlich vorhandenen, hübschen und beschaulichen Fleckchen, mit denen du zum Verweilen einlädst und vom musikalischen Schmaus, mit welchem du jährlich den Sommer versüßt, bist du zumindest einmal im Jahr definitiv eine Reise wert! Auf ein weiteres Jahr Rüsselsheim also, auf ein weiteres Mal Phono Pop Festival!

Bei einem von grundsätzlicher Geschmackssicherheit geprägten Unterhaltungsprogramm sollte es vorletztes Wochenende zu einem kleinen Stelldichein der Musikliebhaberei kommen im überschaubaren Kreise und gemütlichen Rahmen. Dass die diesjährige, neunte Edition des Festivals wieder einmal so ziemlich alles nicht umfasste, was einem die etablierten, großen Festivals hierzulande womöglich madig machen kann, dürfte ja im Vorfeld hinlänglich bekannt gewesen sein: keine Überschneidungen inklusive Timetable-Dilemmata, mehr als trinkbares und moderat bepreistes Bier, ein kulinarisches Angebot sondergleichen, kein Stress überall dort, wo es unter Umständen zu menschlichen Schlangengebilden kommen kann (abgesehen vom Damen- und Transgender-Klo), ein vorhandenes Maß an Sauberkeit und allseits liebenswerte Menschen, ehrenamtliche Mitarbeiter und Helfer.

Ein weiteres Plus gab es darüber hinaus in diesem Jahr definitiv für das idyllisch gelegenene Nachtquartier für die sogenannten Campisten, die sich um die Rüsselsheimer Festung (wo das Festival einst stattfand) breit machen konnten.

Ort des Geschehens und des eigentlichen Festivals bildeten erneut die Hinterhöfe des alten Opelwerks mit einer wohlig stimmenden Kulisse aus Industrie-Chic und ein wenig Biergartenromantik an der Hauptbühne. Da störte es dann auch nicht im Geringsten, dass dieselbe ein inzwischen veraltetes Banner zierte. Zum einen ist es gewiss keine Selbstverständlichkeit mehr, wenn sich ein derartiges, beschauliches Festival über so viele Jahre etablieren kann und zum anderen zeigt es ein wenig, dass den Veranstaltern ein großartiges Musikprogramm weit wichtiger ist als unnötiger Firlefanz.

Wieviele Menschen kannten wohl schon Young Hare im Vorfeld des Festivals, welche als Opener am Freitag gastierten? Die Anzahl dürfte überschaubar gewesen sein. Umso mehr freut man sich doch, wenn man von dem einen oder anderen Act positiv überrascht wird und man selbigen als schöne Erinnerung beziehungsweise Neuentdeckung mit nach Hause nehmen kann. Es bleibt wohl ein Geheimnis des Festivals, mit welcher hohen Trefferwahrscheinlichkeit es genau solche Überraschungen bei den Besuchern immer wieder erzeugt.


Sizarr // Photo Credit: Jan Römer

Dabei war es gerade in diesem Jahr keinesfalls so, dass sich lediglich No-Names im Line-up tummelten. Der Freitag umfasste immerhin mit die großartigsten Acts, die den heimischen Gefilden in den vergangenen Jahren und im vergangenen Jahrzehnt entsprungen sein dürften: Messer waren unglaublich, The Notwist sowieso, obwohl sie konsequenterweise "Consequence" nicht spielten, und auch Robocop Kraus wussten trotz einer etwas halbgaren Setlist dennoch zu überzeugen.

Ebensowenig war es so, dass einen durchweg alle auftretenden Bands und Künstler aus den Latschen zu hauen vermochten. Auffällig viele Besucher nutzten beispielsweise den gut gemeinten aber konsequent stressigen oder zumindest durchgedrehten Auftritt von Skinny Lister für eine kleine Essenspause am zweiten Tag. Insgesamt stand der Samstag etwas im Zeichen der hier sehr selten zu sehenden und vorab groß angekündigten The Afghan Whigs. Oder soll man besser sagen Greg Dulli mit Band? Die Erwartungen im Vorfeld waren jedenfalls groß und sicherlich nicht alle konnten damit gleichermaßen etwas anfangen. Das große Feuerwerk sollte aber an diesem zweiten Festivaltag mit WhoMadeWho definitiv noch kommen!


The Afghan Whigs // Photo Credit: Jan Römer

"Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist", dachte sich wohl ein Großteil des Publikums beziehungsweise wurde er vielleicht auch durch eine etwas mäßige öffentliche Verkehrsanbindung hierzu genötigt. Dass aus der After-Show-Party bis in die frühen Morgenstunden am Phono Pop irgendwie nie so recht etwas werden will, ist und bleibt wahrscheinlich ein Rätsel. Die Vorzeichen zumindest stimmen an sich immer. Tut dem gesamten Event aber absolut keinen Abriss. Schließlich gabs auch in diesem Jahr an den beiden Festivaltagen definitiv genug (gelungene) Konzerte zu bestaunen. Darauf ein Naturtrübes! Prost und auf jeden Fall bis nächstes Jahr zum dann anstehenden (zehnjährigen) Jubiläum!

Achim Schlachter

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