Festival-Nachbericht

Off-Festival 2013


Das OFF-Festival in Polen ist ein ganz besonderes Festival. Das lassen jedenfalls die Veranstalter bei jeder passenden Gelegenheit verlauten. Die Besucher aber auch. Was so besonders daran ist, das könnt ihr in unserem Nachbericht lesen. In dem geht es nicht nur um das Festival an sich, sondern auch um junge, polnische Bands, die man dort besonders gut entdecken konnte.

Vier Tage Sonnenschein, glückliche Menschen, großartige Musik und das alles von der polnischen Natur und auch Kultur umgeben. Das OFF-Festival in Kattowitz gibt es erst seit dem Jahr 2006 und dennoch ist es das wahrscheinlich durchgeplanteste Festival weit und breit. Kein Wunder, dass es sogar Preise dafür abräumt. Zum Beispiel den "European Festival Award" für das beste "mittelgroße" Festival. Auch unsere renommierten Kollegen von Pitchfork loben das Festival und setzen es Sommer für Sommer auf die Liste der wichtigsten Festivals.

Das Besondere am OFF ist definitiv die gelungene Mischung. Artur Rojek, der Mann hinter dem Festival, legte von Anfang an Wert darauf, nicht nur große Namen auf dem Line-Up stehen zu haben, was ihm definitiv immer wieder gelingt, sondern auch aufstrebenden, jungen Bands eine Chance zu geben. So kam ein großer Teil der auftretenden Künstler tatsächlich selbst aus Polen. Andere wiederum, wie z.B. Nite Jewel & Peanut Butter Wolf, Rudi Zygadlo, oder auch Teile von Austra berichteten dem Publikum stolz von ihren polnischen Wurzeln.

Die Band "Gówno", was übersetzt "Scheiße" bedeutet, gab ihrem Namen alle Ehre und bot dreckigen, schrottigen Punk, der alle Register zog. Kaum zu glauben, das die Musiker aber auch ganz anders können. So versteckt sich Sänger Piotrek z.B. hinter dem Projekt Hatti Vatti, bei dem er mit ostarabischen Samples spielt und Ambient Dub daraus mischt. Auch tanzbar, aber in einer anderen Richtung unterwegs ist das Duo Rebeka, das mit ihrer alternativen Dancemusic für Furore sorgt. Zuhause sind sie beim in Polen ansässigen Label Brennnessel Records, die unter anderem auch Kamp! und die maskierten We Draw A unter Vertrag haben.

Babadag forderten ebenenfalls das Publikum mit ihrem Indie-Folk-Pop zum Tanzen auf, aber das wesentlich verspielter und verträumter. Mit der Steeldrum produzierten sie exotische Klänge und nahmen die Zuhörer mit in eine andere Welt. Ebenfalls weit weg brachte einen die Musik von UL/KR, die teils düster, teils catchy, eine merkwürdige, aber beeindruckende elektronische Klangwelt aufbauten.

Nicht nur Musiker aus dem eigenen Land wurden durch das OFF-Festival gefördert. Auch in Bereichen wie Video, Kunst, Schmuckdesign, Modedesign, Posterdruck, Literatur und Layout kooperierte das Festival mit polnischen Künstlern. So gab es in den Pausen zwischen den Konzerten immer wieder die Möglichkeit, sich die großartigen Verkaufsstände auf dem Festivalgelände anzuschauen. Dort fand man unter anderem die aufstrebenden Designer von "Pan Tu Nie StaŁ", Mode vom Label "She/s A Riot" oder auch Schmuckdesign von "Szare PudeŁko". Im Pressebereich und auf dem Festivalgelände verteilt konnte man es sich auf schicken Möbeln von Designern aus der Umgebung bequem machen und auf mehreren Leinwänden liefen immer wieder Videos des Künstlerkollektivs "Legalna Kultura".

Im Literaturcafé gab es nicht nur Bücher polnischer Autoren zu kaufen, sondern auch vegane Köstlichkeiten, die man bei einer Literatur-Diskussion in gemütlicher Atmosphäre zu sich nehmen konnte. Da wurde dann z.B. über die polnische Musikszene im Kommunismus diskutiert oder darüber, wie viel Poesie in Texten so mancher Rockmusik steckt.

Es gab also genügend Alternativen, die man sich neben dem immensen Musikprogramm geben konnte. Um die 90 Künstler sind vom 2.-4. August in Kattowitz aufgetreten. Künstler aus jeglichen Genres. So konnte man von einem Punk-Konzert zum Elektro-DJ wechseln, oder vom Hip-Hop-Battle zum experimentellen Jazz. Worauf auch immer man sich gerade einlassen wollte.

Zu viel war es dennoch nie, denn auf dem großzügigen Gelände mit vielen Bäumen und großen Wiesenflächen konnte man sich auch immer einen ruhigen Ort zum Ausruhen suchen, wenn man denn wollte, und das trotz der etwa 15 000 Besucher.

Die Band "1926" gründete sich, nachdem sie 2012 zusammen The Swans auf dem OFF gesehen hatten. Nun kommunizieren sie mit ihren 20-Minuten-Tracks gerne auch mal mit dem Weltall. Fuka Lata dagegen bleiben lieber bei der Kommunikation mit dem Publikum und bringen es mit ihrem basslastigen Synth-Pop zum Tanzen. Drekoty, drei nette Mädels aus Polen, mit ihren polnischen Texten und der originellen Instrumentierung waren in Windeseile die Sieger der Herzen.

Hera waren mit ihrer eher jazzigen Ausrichtung mit Kontrabass, Gitarre, Saxophon auf der experimentellen Bühne genau richtig aufgehoben. Hokai hätten sich dort bestimmt auch wohl gefühlt, durften aber mit ihrer psychedelischen, verschrobenen Musik die zweitgrößte Bühne (Scena Lesna) bespielen. Mikal Cronin brachte, genau wie seine Band Ty Segall vor einem Jahr, die Scena Trójki zum Tanzen, Mitsingen und wilden Feiern. Eben diese Bühne versprach ohnehin viele großartige Künstler und Musik mit Bewegungspotential. Seien es Nite Jewel & Peanut Butter Wolf, die Kraftwerks Album "Computer World" neu vertonten, oder die großartigen AlunaGeorge, die nicht nur mit ihrer Kooperation mit Disclosure ("White Noise") für eine feiernde Meute sorgten, oder auch Glass Animals, die das Rad zwar nicht neu erfanden, aber mit ihrem Alt-J-ähnlichen Songs dennoch begeisterten.

Jens Lekman erzählte an eben diesem Ort wunderbar nette Geschichten zu seinen Songs und machte damit viele Menschen und seine eigene Band glücklich. Er zeigte sich so bewegt von den Zugabewünschen, die er nicht erfüllen durfte, weil der Zeitplan es nicht erlaubte, dass er nach dem Konzert zu den Fans kam und für Autogramme und Fotos und sogar ein Privatständchen, das er einem Mädchen leise ins Ohr sang, zur Verfügung stand. Auf andere Weise charmant zeigte sich "Fucked Up!"-Sänger Damian, der die Show über lieber mit dem Publikum feierte statt auf der Bühne zu stehen. So zog er mit Fans im Rücken in einer riesigen Karawane aus dem Zelt heraus, gab kleinen Kindern im einen Moment High-Fives, um im anderen Moment von begeisterten Anhängern umarmt zu werden und in einem phänomenalen Stagedive wieder zur Bühne gebracht zu werden. Die Konzertbesucher selbst hatten mindestens genauso viel Spaß wie er, im freundlichsten und größten Mosh-Pit des Festivals, in dem getanzt und gesprungen wurde, was das Zeug hielt.

Auch Mykki Blanco hatte sich für einen kurzen Stage-Dive ins Publikum verabschiedet, um sich dann auf der Bühne seine/ihre Strapsenhalter und die Perücke auszuziehen, um lediglich in Boxershorts bekleidet, intelligente Rap-Parts mit fetten Beats rauszuhauen. Zuvor gab es beim Mykki-Blanco-Programm schon nackte Haut zu sehen, denn eine Tänzerin mit Lichtern im Mund und in den Händen bewegte sich, wie besessen, oben ohne, über die Bühne. Nicht nur Mykki Blanco, auch Fucked-Up-Sänger Damian trug für kurze Zeit eine Perücke, die er aus dem Publikum bekommen hatte. Und auch Deerhunter-Sänger Bradford Cox machte keinen Hehl daraus, dass seine Haarpracht nicht echt war. Mit unglaublicher Energie und freundlichen Ansagen bannte er das Publikum von der ersten Sekunde der Show und wurde mit großem Applaus und Gemurmel wie "das war das beste Konzert bisher!" belohnt.

Weniger bis gar nicht freundlich gab sich Billy Corgan beim Konzert der Smashing Pumpkins. Fotos aus der Nähe waren nicht erlaubt und auch die Kameramänner gaben sich Mühe, vorerst nicht Corgans schlecht gelaunte Miene auf die großen Leinwände zu projizieren. Vor den Leuten in den ersten Reihen war das dennoch nicht zu verbergen. Die Band gab sich sichtlich Mühe, etwas Besonderes war das Konzert allerdings sicherlich nicht.

Besser war man da am folgenden Tag mit den Headlinern bestellt. Sowohl The Walkmen als auch Godspeed You! Black Emperor boten grandiose Shows, letztere wurden sogleich von älteren Herren im Publikum als genauso vielversprechend wie Pink Floyd gehuldigt. My Bloody Valentine war ein weiterer ganz großer Namen auf dem diesjährigen OFF-Festival. Die boten, wie im Vorhinein angekündigt, lauten Krach. Der war aber dafür überaus intelligent und melodisch. Spannend anzusehen, wie dieser Krach live durch die Musiker produziert wurde.

Nach dem Konzert gab es allerdings keine große Verschnaufpause, denn es hieß zu John Talabot zu tanzen. Der bot großartigen, deepen, experimentellen House. Auch Fatima Al Qadiri, die im Anschluss auflegte, bot mit ihren Rap-Elektro-Arabisch-lastigen, an M.I.A. erinnernden Sounds, die perfekte Möglichkeit sich weiter beim Tanzen zu verausgaben. Das großartige Finale machte dann die Austra-Schlagzeugerin Maya Postepski, die im kleineren Experimental-Zelt mit tanzbaren Elektro-Beats und verspielter 80s Musik dem Festival einen würdigen Abschluss bot.

Insgesamt kann man den Eindruck des gesamten Festivals wahrscheinlich nicht besser ausdrücken, als mit dem polnischen Slang-Wort, das immer und überall zu hören war: "Zajebiste!".

Fotos vom Off-Festival gibt es auf unserer Facebook-Seite.

Marlena Julia Dorniak

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